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Magdeburger Forschungs-Ölmühle testet Biowerkstoffe für Chemie und Industrie Diät für fette Larven der Soldatenfliege

Deutschlands einzige Forschungs-Ölmühle steht in Magdeburg. Ihre Arbeit
auf dem Gebiet der Ernährung und der Biowerkstoffe wird europaweit
geschätzt.

Von Anne Dahl 13.11.2013, 01:09

Magdeburg | Deutschlands einzige Forschungs-Ölmühle ist 20 Jahre alt. Gegründet als Versuchsanlage für die Verarbeitung neuer Ölsaaten, entwickelt die private außeruniversitäre Forschungseinrichtung Pilot Pflanzenöltechnologie Magdeburg e.V. (PPM) mit ihren 24 Chemikern, Ingenieuren und Laboranten heute Technologien und Verfahren zur Gewinnung und Nutzung wertvoller Pflanzenstoffe sowohl für die Ernährungsindustie als auch für Biowerkstoffe. Auftraggeber sind sowohl Landwirte, Pflanzenzüchter, die Lebensmittelbranche als auch Automobilbauer und Biokraftstoffproduzenten. Vor ihrer industriellen Einführung werden diese Neuentwicklungen in der Magdeburger Versuchsanlage im kleintechnischen Pilotmaßstab getestet.

"Mit PPM können wir die mehr als 50-jährige Tradition des Standorts Magdeburg in der Pflanzenölforschung fortsetzen", hebt PPM-Geschäftsführer Frank Pudel hervor. "Die Natur stellt uns tolle Rohstoffe bereit, die wir noch nicht gut genug nutzen."

Ölpflanzen wie Raps sind seit Beginn des neuen Jahrtausends über ihren Ernährungswert hinaus für Forschung und Wirtschaft interessant geworden. Etwa als umweltfreundlich abbaubare Biokunststoffe oder als Biokraftstoffe. So testeten die Fachleute bei PPM auf der Suche nach "ungenießbaren" Energiepflanzen, die nicht in Konkurrenz zum Nahrungsmittel treten, die in den Tropen beheimatete Wildpflanze Jatropha auf ihre Eignung für die Biodieselherstellung. Seit einigen Jahren widmen sich die Magdeburger Forscher aber verstärkt den Pflanzenproteinen.

Vegetarisches für Fische aus Rapsschrot

Da immer mehr Speisefische in Aquakultur gezüchtet werden und das für ihre Fütterung benötigte eiweißreiche Fischmehl nicht mehr im wachsenden Umfang bereitgestellt werden kann, haben die PPM-Forscher ein Verfahren entwickelt, mit dem das Fischeiweiß durch ein pflanzliches Rapsproteinkonzentrat ersetzt werden kann. Dafür musste der Eiweißgehalt im Rapsschrot, das bei der Herstellung von Speiseöl entsteht, mindestens verdoppelt sowie störendes Fasermaterial entfernt werden. PPM-Geschäftsführer Pudel: "Wir haben gezeigt, dass es industriell machbar ist, Fischfutter aus Pflanzenproteinen herzustellen. Für die Umsetzung braucht es nun Investoren."

Für die Lebensmittelindustrie wird zurzeit getestet, wie Proteine als Klebemittel eingesetzt werden können - damit zum Beispiel Körner an der Oberfläche von Backwaren haften. Zum bisher dafür verwendeten Invertzucker könnte das eine geschmacksneutrale und kalorienärmere Alternative ergeben.

Die Forscher gehen inzwischen auch in die Welt der Insekten. So arbeiten sie an einer "Magerkur" für die fetten Larven der schwarzen Soldatenfliege (Hermetia): "Die Hermetia-Larven müssen erst entölt werden, damit sie als Tiernahrung besser verträglich sind", erklärt der PPM-Chef. "Das überschüssige Bioöl wiederum wollen wir für chemisch-technische Zwecke nutzbar machen." Wie das am effektivsten geschieht, testet PPM in seinem Versuchslabor an lebenden Larven.

Partner von PPM ist auch ein großer deutscher Automobilbauer - in dem gemeinsamen Forschungsvorhaben mit dem Kompetenzzentrum Ingenieurwissenschaften/ Nachwachsende Rohstoffe an der Hochschule Magdeburg-Stendal geht es um den Ersatz von Kunststoffen durch Naturfasern. Dabei geht es um das Problem, dass Kunststoffteile im Auto-Innenraum oft unangenehme Gerüche aufweisen. PPM untersucht, wie sich diese störenden Gerüche durch eine Faserbehandlung mittels Enzymen neutralisieren lassen. Damit könnten die Materialeigenschaften verbessert und die Einsatzmöglichkeiten solcher Werkstoffe aus der Natur vergrößert werden.

"Am Anfang war nichts. Nur die Idee", blickt Pudel zurück. Zu Beginn der 1990er Jahre hatte die Deutsche Gesellschaft für Fettwissenschaft eine Pilotanlage zur Versuchsverarbeitung von Ölsaaten gesucht. Diese Nische nutzten die Magdeburger. "Los ging es dann mit einer einzigen Ölpresse, die wir aus unserem ersten Auftrag finanzierten." Seitdem wuchs die kleine Forschungsfirma stetig, bis heute wurden rund 1,5 Millionen Euro in die Anlagentechnik investiert.