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Schwarzkittel spazieren am helllichten Tage durch die Stadt - die Jäger verstärken deshalb den Jagddruck Wildschwein-Plage: In Bitterfeld ist die Sau los

Die Stadt Bitterfeld kämpft mit einer Wildschweinplage - schätzungsweise
300 bis 400 Schwarzkittel haben ihren Einstand am Stadtrand und fühlen
sich dort offensichtlich sauwohl. Die Stadt Bitterfeld hat jetzt eine
Ausnahmegenehmigung für die Jagd in den zur Stadt gehörenden Wäldern
erteilt.

Von Silke Janko 28.01.2014, 02:26

Bitterfeld-Wolfen l Wildschweine sind hochintelligente Tiere: Machen die Jäger reichlich Jagd auf die Schwarzkittel, verlegen sie ihre Aktivitäten in die Dunkelheit. Wenn sie sich aber sicher fühlen, sind sie auch am helllichten Tag zu sehen.

Die 45.000 Einwohner zählende Stadt Bitterfeld-Wolfen muss so ein Refugium sein, wo die Wildsau sich einfach sicher- und wohlfühlt. Schätzungsweise 300 bis 400 Tiere leben in den am südlichen Stadtrand angrenzenden Stadtwald. Die Tiere wurden am Europagymnasium, an Kindertagesstätten, am Supermarkt Lidl und im Stadtpark gesichtet.

Nach zahlreichen Bürgerbeschwerden macht die Stadtverwaltung nun Nägel mit Köpfen und hat per Ausnahmegenehmigung für diese Woche die Jagd in den zur Stadt gehörenden Wäldern erlaubt. Laut Gesetz ist die Jagd in befriedeten Gebieten nicht erlaubt. Stadtsprecher Michael Mohr schränkt ein: "Keinesfalls wird in der Stadt gejagt." Es gebe auch keine Ausgangssperre. "Wir haben den Bürgern lediglich empfohlen, bestimmte Gebiete in der Zeit von 20 bis 7 Uhr zu meiden."

Mais- und Rapsanbau bringen Wildschweinen viel Nahrung

In den betroffenen Gebieten am südlichen Stadtrand werden Warnschilder aufgestellt, zum Teil auch Hochsitze. Harald Eisenmann, seit 15 Jahren Jäger in den Wäldern und Revierinhaber in Bitterfeld, hat solche eine Massenvermehrung des Schwarzwildes noch nicht erlebt. Direkt in Bitterfeld werden er und weitere Jäger bei Streifgängen mit Hunden und Taschenlampen die Schweine vergrämen, sprich vertreiben.

Am Stadtrand versuchen mehrere Jäger, die Tiere von Hochsitzen aus zu erlegen. Auch Eisenmann betont, direkt in Bitterfeld wird nicht gejagt. "Sicherheit geht vor. Wir jagen nur näher an die Stadt heran. Einen Hochsitz direkt neben der Verkehrsampel stellen wir nicht auf."

Für den massenhaften Einzug des Schwarzwildes in die Stadt sieht er mehrere Gründe: Zum einen spielt wohl die neue Umgehungsstraße eine Rolle. "Die Schweine kommen aus dem Wald auf die Straße und sind dann praktisch gleich in der Stadt." Zum anderen werde die Jagd in den umliegenden Wäldern der Goitzsche (einem 2002 entstandenen See aus dem Braunkohle-Tagebau) von Bundes- und Landesforst nicht so intensiv betrieben. Und auch der vermehrte Anbau von Mais und Raps für die Biogasproduktion habe den Schweinen ein reichhaltiges Nahrungsangebot beschert.

Eisenmann beschreibt die paradiesischen Zustände der Schweine so: "Bis zum Herbst fressen sich die Schweine im Maisfeld satt, nach der Ernte gehen sie in die Goitzsche-Wälder, und von dort werden sie von Pilzsuchern wieder in Richtung Stadt getrieben." Der passionierte Jäger meinte, auch die kurzfristig verstärkte Bejagung der Tiere mit Ausnahmegenehmigung könne keine Dauerlösung sein. Langfristig müsse die Stadt sich etwas einfallen lassen. Darüber zerbrechen sich deutschlandweit schon einige Städte den Kopf, denn der Trend in Richtung Stadt von Wildschwein und Co. ist kein Bitterfelder Phänomen. In Berlin fühlen sich inzwischen bereits 10000 Schweine wohl. Beim Senat angestellte Jäger schaffen es seit Jahren nicht, der Wildschweinplage Herr zu werden. Auch in Magdeburg wird die Wildschwein-Population auf inzwischen 60 bis 80 Tiere geschätzt, die vor allem im Stadtpark Rotehorn ihren Einstand haben. Bürger klagen immer wieder, dass ihre Gärten von den Tieren "umgegraben" werden. Drückjagden im vorigen Jahr im Stadtpark, mit entsprechenden Protesten der Tierschützer im Vorfeld, hatten keinen durchschlagenden Erfolg gebracht.

Wildschwein-Abschüsse seit den 1990er Jahren verdoppelt

Der Landesjagdverband verweist auf steigende Schwarzwild-Abschüsse. Im Vergleich zu den 1990er Jahren haben sich die Abschüsse nahezu verdoppelt. Schwerpunkte sind der Harz und die Landkreise Wittenberg und Mansfeld-Südharz. Geschäftsführer Wilko Florstedt nennt vor allem zwei Gründe für das rasante Anwachsen der Populationen in einigen Regionen: Eichen und Buchen hatten im Herbst 2011 starke Früchte getragen und damit dem Wild ein reichhaltiges Nahrungsangebot beschert. Damit stieg auch die Reproduktionsrate des Schwarzwildes in den Folgejahren.

Von Vorteil ist für das Wild auch der vermehrte Anbau von Mais und Raps infolge der Förderung erneuerbarer Energien. Sie bieten den Schweinen nicht nur mehr Angebot ihrer Lieblingsspeise, der Maiskörner. Auch die Jagd wird in den hochwachsenden Kulturen, in denen die Tiere wie im Dickicht verschwunden sind, erheblich erschwert.

Konkrete Ergebnisse zur Jagd in Bitterfeld sollen Ende der Woche feststehen.