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Internet-Satiriker kämpft Frau Richterin, darf ich live twittern?

Im Prozess um gefälschte Ordnungsamt-Seiten bei Twitter und Facebook
muss Satiriker Tim Lehmann mit einer Niederlage rechnen. Das Landgericht
machte am Mittwoch deutlich, dass er die Rechte der Stadt Magdeburg
verletzt hat.

10.07.2014, 01:23

Magdeburg l Gelassen verfolgt Tim Lehmann das zivilrechtliche Eilverfahren gegen ihn am Mittwoch vor dem Landgericht Magdeburg. Kaum hat Richterin Miriam Soehring den Prozess eröffnet, da muss der 29-Jährige eine Frage loswerden: "Darf ich von der Verhandlung live twittern?" Es ist einer der Momente, in dem sich wohl selbst die Richterin ein Schmunzeln verkneifen muss.

Soehring erlaubt daraufhin dem Mediengestalter und Hobby-Satiriker, weiter auf seinem Tablet-PC zu tippen - wenn er denn trotzdem aufmerksam dem Prozess folgt. "Ich bin multitaskingfähig", versichert Lehmann. Dass Satire und Spaß Grenzen haben, muss der gebürtige Schönebecker jedoch im Laufe des Verfahrens feststellen.

Die Stadt Magdeburg wirft Lehmann vor, die Namensrechte der Stadt und die Rechte für das Wappen verletzt zu haben, indem er auf Facebook und Twitter den Anschein erweckte, offizielle Informationen der Stadt zu verbreiten. Unter "Ordnungsamt Magdeburg" streute Lehmann in den vergangenen Wochen Falschmeldungen, wonach es ein Ende der Sperrstunde in der Landeshauptstadt gebe, und bot bronzene Parkscheiben für kostenloses Parken zum Ausdrucken an.

Richterin Soehring betont, dass es beim Prozess nicht um die Bewertung der satirischen Inhalte geht, sondern um die Frage, ob eine sogenannte Zuordnungsverwirrung vorliegt. Lehmann argumentiert, es sei stets für Internet-Nutzer ersichtlich gewesen, dass es sich bei seinen Internet-Auftritten um Satire-Seiten handelt. Und: "Beim Witz erzählt man die Pointe auch nicht zuerst." Das Gericht schließt sich aber der Position der Stadt Magdeburg an, wonach die Satire nicht klar ersichtlich gewesen sei, und macht deutlich, dass Lehmann die Rechte der Stadt verletzt hat.

Daran ändere auch der Umstand, dass Lehmann seine Internetseiten unterdessen umbenannt hat, nichts. Lehmann sagt dazu, "ich könnte meine Seiten auch in `Landgericht Magdeburg` umbenennen." Richterin Soehring erwidert trocken: "Das sollten Sie besser nicht tun."

Obwohl das Gericht daraufhin feststellt, dass der 29-Jährige im Netz "unter falscher Flagge gesegelt ist", will es erst am kommenden Mittwoch ein Urteil verkünden. Wahrscheinlich ist, dass es sich dann dem Antrag der Stadt anschließt. Lehmann könnte demnach untersagt werden, in Zukunft als Stadt Magdeburg aufzutreten. Sollte er sich weigern, würde ihm ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro oder ersatzweise eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten drohen. Der Satiriker hofft weiterhin, dass das Gericht zu seinen Gunsten entscheidet - sammelt aber im Internet Spenden für die drohenden Prozesskosten, wenn er verliert.