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Ex-Regierungschef plänkelt mit Linken-Ikone Politik-Show mit alten Bekannten

Der eine verströmt noch immer die Aura des Landesvaters von
Sachsen-Anhalt, die andere will unbedingt die Welt etwas sozialer
gestalten. Wolfgang Böhmer und Sahra Wagenknecht sind grundverschieden -
aber verstanden sich bei einer Talk-Runde in Magdeburg erstaunlich gut.

16.10.2014, 01:14

Magdeburg l Selten begibt sich Wolfgang Böhmer dieser Tage in die Öffentlichkeit. Doch ein zünftiges Streitgespräch mit Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht wollte sich der 78-jährige CDU-Politiker nicht entgehen lassen. Die Wirtschaftsjunioren Magdeburg hatten ihn und Wagenknecht, sowie Ex-Finanzminister Karl-Heinz Paqué (FDP) und Unternehmer Jan-Christian Becker zum Talk in den zweitgrößten Hörsaal der Uni Magdeburg eingeladen. "Politik oder Wirtschaft - wer gestaltet unsere Zukunft?", lautete die Frage am Dienstagabend.

Gewöhnlich würde so eine Fragestellung wohl nur wenige Zuschauer anlocken, doch der Saal war voll. Jeder wollte wissen, was passiert, wenn zwei so unterschiedliche Politik-Größen wie Böhmer und Wagenknecht aufeinandertreffen. Und die meisten dürften sich tatsächlich bestens unterhalten gefühlt haben.

Zu Beginn ging es um eine Bilanz der 25 Jahre, die seit dem Mauerfall vergangen sind. Wagenknecht gab sich betont kritisch gegenüber der DDR. "Damals sollte ich Sekretärin werden, obwohl ich eigentlich studieren wollte", erzählte sie. Einfach habe sie es mit dem Regime nicht gehabt. Im heutigen System fühle sie sich allerdings auch nicht richtig wohl. Wer nun erwartete, dass Böhmer eine flammende Gegenrede loslassen würde, der wurde überrascht. Der erfahrene CDU-Mann tat nur eines: Er räusperte betont laut in das Mikrofon hinein, sodass Gelächter im Saal ausbrach.

In knappen Sätzen formulierte er dann seine Sicht: "Hinter uns liegt ein enormer Transformationsprozess, den wir uns so nicht haben vorstellen können - wir sind heute nicht die größten und schönsten, können aber wieder gut mithalten." Eine Herausforderung bleibe allerdings die Angleichung der Löhne auf West-Niveau. Wagenknecht hakte hier ein: "Wir müssen aufpassen, dass sich die Löhne nicht in die falsche Richtung entwickeln." Der Missbrauch von Leiharbeit und die Zunahme von Werksverträgen deute darauf hin. In staatstragender Pose entgegnete Böhmer: "Das sehe ich nicht völlig anders. Aber wir sind nicht allein auf der Welt. Je teurer wir produzieren, desto weniger Waren verkaufen wir ins Ausland."

Beide Politiker sprachen sich anschließend für die Fortsetzung der Ost-Förderung aus. "Wenn der Solidarpakt ausläuft, brauchen wir eine gezielte Förderung der Regionen - im Osten wie im Westen", so Wagenknecht. Böhmer meinte, der Solidarzuschlag sollte nicht abgeschafft werden. Denn der Bund könne aus rechtlichen Gründen ohnehin nur Länder fördern, nicht aber einzelne Regionen. Zum Abschluss der Debatte sollte Böhmer die heitere Frage beantworten, wer aus der Talkrunde ein Vorbild für ihn sein könnte. Ein klarer Fall für Ihn: "Wenn ich irgendwo bestaunt werden möchte, nehme ich Frau Wagenknecht mit."