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Baustart im Frühjahr 2015 Tunnelgegner befürchten weitere Kostensteigerung

Technische Fragen zum Grundwasser und zum fehlenden Platz bleiben Themen für Mitglieder der Bürgerinitiative.

Von Martin Rieß 09.01.2015, 02:05

Magdeburg l Gescheitert vor Gericht und keine Mehrheit im Stadtrat: Der Tunnelbau ist beschlossene Sache. Dies ist ohne Zweifel eine Niederlage für die Bürgerinitiative, die sich über mehrere Jahre gegen den Bau des Tunnels für den motorisierten Individualverkehr unter der Fußgänger-, Fahrrad- und Straßenbahntrasse unter dem Kölner Platz engagiert hatte.

Einer der aktivsten Streiter für Tunnelalternativen ist der Grünen-Stadtrat Jürgen Canehl. Er meint, dass sich Oberbürgermeister Lutz Trümper 2006 hat vom damaligen Bauminister Karl-Heinz Daehre über den Tisch ziehen lassen. Denn damals sei die Tunnelvariante mit Kosten für die Stadt von 3,9 Millionen Euro und hoher Förderung durch das Land Sachsen-Anhalt veranschlagt worden - Kosten, die sich inzwischen verachtfacht haben. Kein Verständnis hat er für Stadträte wie Michael Hoffmann von der CDU, die den Sinn des jetzigen Projektes anzweifeln - dennoch dafür stimmen, weil sie hoffen, dass eines Tages der Tunnel unter der Otto-von-Guericke-Straße weiter verlängert wird. Mit Blick auf die bekannten Kostensteigerungen aus Sicht Canehls eine unbezahlbare Idee.

Enge beim Bau dürfte Kosten in die Höhe treiben
Dass es nicht bei den bisherigen Kostensteigerungen bleibt - davon ist Jürgen Bootz überzeugt. Der Mitstreiter der Bürgerinitiative und Ingenieur hatte zu DDR-Zeiten in Magdeburg an der Westringbrücke mitgearbeitet, nach der Wende war er in der sachsen-anhaltischen Straßenbaubehörde in der Altmark für Ingenieurbauten zuständig.

In einem Brief von ihm heißt es unter anderem: "Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung wurde unter Verwendung zu niedriger Kosten erstellt." Eine Neuberechnung aufgrund der aktuellen Zahlen dürfte jetzt die Unwirtschaftlichkeit des Projektes zutage bringen.

Weitere Kostensteigerungen hält er aus konstruktiven Gründen für unvermeidlich: "Der Tunnel soll auf engstem Raum und von oben beginnend im Bereich des Grundwassers gebaut werden", sagt er im Gespräch mit der Volksstimme. Und er prognostiziert: "Mal abgesehen von dem gar nicht abzuschätzenden Aufwand, das Nachrutschen von Erdreich zu verhindern - eine solche Konstruktion werden sie nie und nimmer dicht bekommen." Die Folge, so seine Voraussage: Die Vollsperrung für den motorisierten Verkehr in der Ernst-Reuter-Allee dürfte statt zehn Monaten etwa drei Jahre betragen. Kein Verständnis hat der Ingenieur dafür, dass Planungen aus den 1970er Jahren nicht weiterverfolgt werden. "Konsens war damals, die Ein-Feld-Brücken durch Zwei-Feld-Brücken zu ersetzen", erläutert er. Die Aufweitung der Überführung sei auf der Südseite vorgesehen gewesen.

Neben den Kostenfragen sorgen technische Lösungen für Bedenken: Zum Beispiel werde entlang der Rampen in den Tunnel so wenig Platz sein, dass pro Seite auf rund 100 Metern ein Aussteigen aus der Straßenbahn kaum möglich sein werde - was wiederum für den Havariefall ernste Konsequenzen mit sich bringen könne. Zudem dürfte im Nachhinein eine Zwangsbelüftung installiert werden müssen, da der Rückstau von der Kreuzung Ernst-Reuter-Allee/Otto-von-Guericke-Straße bis in den Tunnel reichen werde. Dort werden die Autos auf einem Anstieg von bis zu zehn Prozent für eine erhebliche Schadstoffbelastung in der Tunnelluft sorgen.

Wie geht es weiter? "Wir werden den Tunnelbau kritisch begleiten. Und bei jeder Panne und bei jeder Kostensteigerung werden wir wohl darauf hinweisen müssen, dass all diese Probleme vorherzusehen waren", sagt Jürgen Canehl. Auch bei anderen schwer bezahlbaren Projekten wie der Sanierung der Stadthalle oder der Sanierung der ostelbischen Brücken werden die Mitglieder der Bürgerinitiative bei Geldsorgen wohl künftig ein aufs andere Mal auf die aus ihrer Sicht im Tunnel versenkten finanziellen Mittel verweisen. Dass der letzte Antrag seiner Ratsfraktion, aus dem Projekt auszusteigen, nach dem Weg durch die Ausschüsse noch Aussichten auf Erfolg hat - daran äußert Jürgen Canehl inzwischen selbst leise Zweifel.