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Prostituiertenschutzgesetz Bordelldame: "Alles andere wäre Russisch-Roulette"

Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) will im März den Entwurf für ein neues Prostituiertenschutzgesetz vorlegen. In der Politik wurden die Eckpunkte in den vergangenen Monaten heiß diskutiert. Doch, was sagen Bordelldamen aus Sachsen-Anhalt dazu?

Von Matthias Fricke 25.02.2015, 02:22

Magdeburg l In Sachsen-Anhalt arbeiten etwa 500 Damen im ältesten Gewerbe der Welt. Die Zahl ist nur eine sehr grobe Schätzung der Polizei, Genaueres gibt es nicht. Auch, weil es bisher weder eine Anmelde- noch Registrierungspflicht gibt. Diskretion gilt im Rotlichtmilieu ohnehin als oberstes Gebot.

Die meisten Prostituierten arbeiten in Wohnungen, klassische Bordelle wie in der Berliner Chaussee in Magdeburg sind in Sachsen-Anhalt eher eine Seltenheit.

Bezahlte Liebesdienste mit Risiko

Die 32-jährige Peggy ist nur eine von acht Frauen im Club "Exclusiv", die ihre Liebe käuflich für 120 Euro die Stunde oder je nach Geldbeutel auch länger sogar für eine Nacht anbieten. Was für sie "ein ganz normaler Beruf wie jeder andere auch" ist, spielt sich in Wahrheit aber noch immer im Verborgenen ab. Peggy sagt, dass sie damals als Arbeitslose völlig unvoreingenommen in das Geschäft eingestiegen ist.

"Das schreckt in unserer Branche die schwarzen Schafe wenigstens ein wenig ab." - Nicole Reppin, Vize-Chefin des Clubs

Inzwischen verdient die Magdeburgerin als Selbstständige gutes Geld. Wie viel, bleibt aber ihr Betriebsgeheimnis. Sie müsse sich privat krankenversichern, zahle ihre Steuern und gehe regelmäßig zur medizinischen Untersuchung. "Da haben wir alle selbst großes Interesse daran, dass wir uns nicht anstecken", sagt die junge Frau.

Die Risiken ihrer bezahlten Liebesdienste sind ihr bekannt. Das Magdeburger Gesundheitsamt bietet dafür auch kostenlose Beratungen an. Auf Infektionen gibt es dort jährlich auch etwa 340 Untersuchungen. Zurzeit ist dies die einzige Behörde im Land, die diesen Service den Prostituierten zur Verfügung stellt.

Kondompflicht für Freier gehört dazu

Zu Peggys Freiern zählen Männer aller Schichten, "vom Hartz-IV-Empfänger bis zum Millionär". Sehr oft seien in Magdeburg auch Männer darunter, die nur auf der Durchreise, Montage oder einem Kongress in der Stadt sind. Über spezielle Wünsche werde freilich immer verhandelt. "Allerdings können wir auch jederzeit Kunden ablehnen, wenn es absolut nicht passt", sagt sie.

Seit 2008 sei die junge Frau im Geschäft und habe seither auch noch nie Probleme mit Freiern gehabt. Für die Sicherheit würden im Ernstfall die wenigen männlichen Angestellten und auch der Einlassdienst des Clubs sorgen. Natürlich ist der Gesetzentwurf zum Schutz der Prostituierten zurzeit auf den Fluren auch ein Thema. Vor allem die vorgesehene Kondompflicht. Die Bordelldame meint aber: "Die haben wir hier bei uns schon immer in der Hausordnung. Alles andere wäre ja auch Russisch-Roulette."

Sie hält die Umsetzung der gesetzlichen Regelung für nicht umsetzbar. "Man kann es einfach nicht kontrollieren. Für uns wäre es höchstens ein zusätzliches Argument bei den Freiern", ist Peggy überzeugt.

Hürden für Vorbestrafte

Dem stimmt auch Nicole Reppin, stellvertretende Club-Chefin des "Exclusiv", zu. Sie hält viele der Grundzüge des Gesetzentwurfes für sinnvoll, klare Regeln würden helfen, das Gewerbe aus der Schmuddelecke zu ziehen.

Da wäre zum Beispiel die Erlaubnispflicht bei der Eröffnung eines Bordells. Bisher darf das jeder, es reicht eine einfache Gewerbeanmeldung. Künftig sollen aber einschlägig vorbestrafte Akteure durch eine Anmeldepflicht herausgefiltert werden. Die Bordellfrau ist davon überzeugt: "Das schreckt in unserer Branche wenigstens ein wenig die schwarzen Schafe ab."

"Es kann auch nicht sein, dass jeder Kiosk eine Reihe von Hygienevorschriften erfüllen muss und ein Bordell nicht." - Angela Kolb, Justizministerin

Noch immer begegnen vielen Prostituierten Unverständnis und auch Anfeindungen in der Gesellschaft. "Obwohl sich das in den vergangenen zehn Jahren wirklich schon verbessert hat. Auch in meinem Umfeld privat zu Hause sind die Menschen wesentlich toleranter geworden", meint die Prostituierte.

Besserer Schutz für Prostituierte nötig

Kaum Kriminalität kann auch die Polizei noch im Rotlichtmilieu feststellen. Nach Angaben von Andreas von Koß, Sprecher im Landeskriminalamt, liegen die Zahlen typischer Straftaten im unteren einstelligen Bereich. So gab es im Jahr 2013 nur eine Ermittlung wegen "Ausbeutens einer Prostituierten" im Land. Für das vergangene Jahr gibt es noch keine Erhebung. Vor vier Jahren registrierte die Polizei in diesem Bereich fünf Straftaten. Auch bei der "Zuhälterei" sank die Zahl im gleichen Zeitraum von zehn auf vier Fälle.

Angela Kolb (SPD), Sachsen-Anhalts Ministerin für Justiz und Gleichstellung, will die Gesetzesinitiative im Bund auf Landesebene unterstützen: "Wir brauchen ein Gesetz, dass die Prostituierten besser schützt. Es kann auch nicht sein, dass jeder Kiosk eine Reihe von Hygienevorschriften erfüllen muss und ein Bordell nicht."

Demnächst soll sich eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe bilden. Denn nach der Verabschiedung des Gesetzes, was frühestens 2016 der Fall sein dürfte, müssen die Länder für die Umsetzung sorgen. So entscheiden diese auch, wo zum Beispiel die Anmeldung der Prostituierten und Bordellbetreiber erfolgen soll.