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Archäologen vermuten hinter Fund an ICE-Neubaustrecke rituellen Hintergrund Kopf und Hand wachen über Bronzeschatz

Von Norbert Claus 19.08.2011, 04:33

Halle (dapd). Die Ausgrabungen entlang der ICE-Neubaustrecke Erfurt-Halle/Leipzig erweisen sich für Archäologen als wahre Fundgrube. Bei Oberwünsch im Saalekreis wurden ein reicher Bronzehort mit 120 Teilen sowie der Schädel und die linke Hand eines Mannes entdeckt. Landesarchäologe Harald Meller geht angesichts dieser Konstellation von einem "rituellen Hintergrund" aus. Der Leiter der anthropologischen Untersuchungen, Kurt W. Alt von der Universität Mainz, sprach gestern in Halle von einer in der Archäologie ungewöhnlichen Kombination aus Schädel und Hand.

Seit 17 Jahren untersuchen Archäologen in dem Gebiet zwischen der Unstrut und der Landesgrenze zu Sachsen im Vorfeld der Bauarbeiten für die ICE-Trasse das Areal. Auf 140 Hektar wurden nach Angaben des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie bislang 15000 Befunde mit mehr als 400000 Stücken ans Tageslicht gebracht. Die Wissenschaftler stießen allein auf 1000 Gräber.

In einer von unzähligen Gruben, die in der späten Bronzezeit (1200 bis 800 vor Christus) als Vorratsgruben genutzt wurden, entdeckten die Archäologen in etwa eineinhalb Meter Tiefe zunächst den Schädel und die Hand. Der Wissenschaftler Alt sagte, der Schädel müsse unmittelbar nach dem Tod des etwa 45 bis 60 Jahre alten Mannes zusammen mit den drei ersten Halswirbeln gewaltsam abgetrennt worden sein. Er wollte aber nicht von einer Enthauptung sprechen. Die feinen Schnittspuren belegten, dass der Hals sorgsam mit einem Messer durchtrennt worden sei.

Meller fügte hinzu, der Schädel müsse wie der Bronzeschatz, der unterhalb der menschlichen Überreste im Boden lag, jeweils in einem Lederbeutel oder einem Holzkästchen in den Lößboden gelegt worden sein. Nur so lasse sich erklären, warum selbst nach Jahrhunderten noch die kleinsten Knochen erhalten geblieben seien. Der Mann, dessen Herkunft und Stand noch unklar sind, sei nicht freiwillig aus dem Leben geschieden, sagte Alt. An der Innenseite des Zeigefingers seien Schnitte gefunden worden, die als Abwehrverletzungen zu interpretieren seien.

Obwohl die Untersuchungen der Knochen mit Hilfe der Radiocarbon-Methode, mit der sich das Alter bestimmen lasse, noch nicht abgeschlossen seien, werden von den Wissenschaftlern Schädel und Bronzeschatz auf die gleiche Zeit datiert. Der Bronzefund, zu dem unter anderem 15 Halsringe, fünf Arm- und Fußringe, Spiralrollen und Ringe gehören, wird auf die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts vor Ch. beziehungsweise die Zeit um 900 vor Christus geschätzt.

Bei den Ausgrabungen waren Schädel, Hand und Bronzeteile in einem Block geborgen worden. Dazu war ein 1,60 Meter mal 1,60 Meter großer hölzerner Kasten um den Fund gebaut und in das Landesamt transportiert worden. Dort wurden unter Laborbedingungen die einzelnen Schichten abgetragen, der Fund freigelegt und der Bronzehort mithilfe der Computertomografie untersucht.

Der Schatz soll 2012 in der neuen Dauerausstellung des Landesmuseums präsentiert werden.