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NPD-Werbung für Veranstaltung löste innerkirchlichen Streit aus / Bischöfin begrüßte Absage Sarrazin bei Halberstädter Gesprächskreis nicht willkommen

Von Oliver Schlicht 24.02.2011, 05:32

Halberstadt. Thilo Sarrazin (SPD), ehemaliger Finanzsenator von Berlin und Bestsellerautor ("Deutschland schafft sich ab"), wird nicht wie vorgesehen heute im Halberstädter Dom an einer Gesprächsrunde teilnehmen. Die Initiatoren, die evangelischen Pfarrer Harald Kunze und Hartmut Bartmuß, sagten die Veranstaltung gestern ab. Auf sie sei "unerträglicher Druck von kirchlicher Seite und von einstigen Weggefährten aufgebaut worden", teilten die Initiatoren mit. Pfarrer Harald Kunze sagte der Volksstimme, er fühle sich an DDR-Zeiten erinnert. "1987 habe ich den oppositionellen Liedermacher Stephan Krawczyk in meiner Kirche auftreten lassen. Der Druck war ähnlich."

Thilo Sarrazin steht in der Kritik, mit ausländerkritischen Ausführungen in seinem Buch rechtsgerichtete Vorurteile zu schüren. Die NPD hatte ohne Zutun der Veranstalter für die Gesprächsrunde geworben. Auch deshalb hatte sich innerkirchlicher Widerstand formiert. So gibt es in Halberstadt ein "christliches Aktionsbündnis gegen Sarrazin". An dessen Spitze steht die Pfarrerin Angela Kunze-Beiküfner. Sie hatte sogar zum "Fasten als Form des gewaltfreien Widerstandes" aufgerufen. Pfarrerin Kunze-Beiküfner zeigte sich gestern zufrieden mit der Absage: "Jetzt sollte eine intensive Nachbearbeitung folgen. Die Konzeption der Halberstädter Gesprächsabende muss überdacht werden." Ein direktes Gespräch mit Pfarrer Kunze im Vorfeld der Veranstaltung sei nicht möglich gewesen. Beiküfner erklärte: "Er hat mir am Sonntag die Tür vor der Nase zugeschlagen."

Landesbischöfin Ilse Junkermann intervenierte gestern Vormittag persönlich bei Pfarrer Kunze. Sie äußerte sich anschließend zufrieden über die Absage: "Durch die Nähe zur Landtagswahl wäre eine politische Richtung in besonderer Weise hervorgehoben worden." Die Grünen begrüßten in einer Erklärung, dass "dem biologisch-rassistischen Weltbild von Thilo Sarrazin in der Kirche keine Bühne geboten wurde".

Sarrazin selbst äußerte sich gegenüber der Volksstimme "bestürzt über die unglaublichen Vorgänge, die sich von den Inhalten meines Buches entfernt haben". Auf diese Weise würden radikalen Gruppen Argumente frei Haus geliefert, dass es in Deutschland keine Meinungsfreiheit gebe. Sarrazin sagte: "Die Kirche verstößt gegen das achte Gebot: Du sollst nicht falsch Zeugnis über deinen Nächsten ablegen." Er sei gern bereit, zu einem neuen Termin nach Halberstadt zu kommen. Meinung I