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Die Tatortgruppe des Landeskriminalamts arbeitet mit der 360-Grad-Kamera und sucht im Hochvakuum nach Fingerabdrücken (Teil 13) Im weißen Ganzkörperschutz vor dem rot-weißen Absperrband

Von Bernd Kaufholz 10.03.2012, 04:23

Magdeburg l Es ist der 26. Juni 2005. Michael Ulrich von der Tatortgruppe des Landeskriminalamts Sachsen-Anhalt und ein Kollege bergen eine Leiche aus dem flachen Wasser des Hohenseedener Angelsees im Jerichower Land. Der Körper der jungen Frau ist unbekleidet und mit Ziegelsteinen beschwert. Die Ermittler sind sich zu diesem Zeitpunkt aufgrund einiger Schmuckstücke, die die Tote trägt, bereits so gut wie sicher, dass es sich um eine 20-Jährige aus dem knapp zehn Kilometer entfernten Rietzel handelt. Anja wird seit dem 11. Juni 2005 vermisst.

Die "Spurenleser" des LKA wurden durch die sachbearbeitende Dienststelle, die Stendaler Mordkommission, angefordert. Kriminalrat Ulrich: "Wir sind vorrangig Serviceeinheit für die ermittelnden Polizeibehörden." Immer ein Team befindet sich sieben Tage die Woche rund um die Uhr in Rufbereitschaft.

"Einsatz aus dem Koffer", beschreibt der Chef des Dezernats 25 die Arbeit. An Bord des Mercedes-Sprinters befindet sich die Grundausstattung für die Tat-/Fundortarbeit: unter anderem die persönliche Schutzbekleidung, um sich selbst, aber auch den Ereig-nisort vor Verunreinigungen jeglicher Art zu bewahren, rot-weißes Absperrband, Koffer für unterschiedliche Spurenarten und Verpackungen, um DNA-Spuren zu sichern, Pinsel, Fotoausrüstung.

Am See beginnen die Kriminalisten damit, das weiträumig abgesperrte Umfeld akribisch abzusuchen, um im besten Fall Hinweise auf Täter und Tatgeschehen zu erhalten. Ulrich erinnert sich: "Wir haben zentnerweise von Anglern hinterlassenes Gerümpel aufgesammelt und nummeriert. Dutzende Schuhspuren wurden mit Gips ausgegossen." Jede Spur bekommt ein kleines Zahlen-Schildchen. Darunter auch der Verschluss eines BHs, der später dem Opfer zugeordnet werden kann.

Bei ihrer Arbeit bewegen sich die Männer und Frauen in den Schutzanzügen in einer schmalen Gasse, um keine Spur zu vernichten.

Die Zeit, als die Tatortarbeiter noch Fotos zusammenklebten, um eine Art Panoramabild zu bekommen, sind vorbei. "Spheronkamera" heißt das Zauberwort. Mit dem elektronischen System werden 360-Grad-Fotos geschossen, die einen virtuellen Rundgang durch den Tatort gestatten. "Grundlage für die moderne Tatortarbeit", nennt es der Kriminalrat. "Und für eine mögliche Verhandlung. Damit sich die Prozessbeteiligten, die nie vor Ort waren, ein klares Bild von den Gegebenheiten machen können."

Als das LKA 2006 als erste Dienststelle die Rundumkamera einsetzte, sei die Behörde noch belächelt worden, mittlerweile sei sie Standard. Doch natürlich gebe es auch nach wie vor die klassische Spurensuche mit Pinsel und Gipstüte.

Mit der Sicherstellung und Auswertung der Spuren ist der Fall "Anja" für die Kriminalisten vom Dezernat 25 allerdings noch lange nicht zu Ende. Ein weiterer "Spurenträger" ist das Auto, mit der Anja in der Nacht zum elterlichen Haus in Rietzel zurückgefahren war. Das Fahrzeug wird bis in den letzten Winkel durchsucht. Alles, was nach einer Spur aussieht, wird unter die Lupe genommen. Doch einen Hinweis auf den Täter findet die Tatortgruppe nicht.

Im Zusammenhang mit der Mordermittlung kommt ein weiteres technisches Hilfsmittel zum Einsatz. Eines, das es nur viermal in Deutschland gibt. Eine Zeitungszustellerin hatte das Portemonnaie der Getöteten gefunden. Über Gold- und Zinkmoleküle werden in einem Hochvakuum Fingerspuren sichtbar gemacht. "Eine der schärfsten Waffen der Spurenleser", sagt Ulrich. Doch auch diese High-tech-Untersuchung führt nicht zum Täter.

Erst als das Haus eines Nachbarn der Ermordeten aufgrund einer zurückliegenden Straftat durchsucht wird, finden die Tatortleute auf dem Hausboden einen Slip. Die DNA-Spuren können sowohl dem Opfer, als auch dem tatverdächtigen Sven B. zugeordnet werden. Der 23-Jährige gesteht unter dem Druck der Beweise und wird am 13. Juli 2006 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

Das jüngste Projekt, das einen Durchbruch in der seit Jahrzehnten in etwa gleich ablaufenden Arbeit mit Fingerabdrücken bedeutet, ist "Digi-Dak", das digitale Fingerabdrucksystem. Das Dezernat 25 arbeitet dabei seit drei Jahren eng mit Informatikern der "Otto-von-Guericke"-Universität und anderen Partnern zusammen. Die Papillarlinien werden dabei als 3-D-Bild sichtbar gemacht. "Geforscht wird unter anderem daran, das Alter der Fingerprints erkennbar zu machen. Ein äußerst wichtiges Detail, das mit der herkömmlichen Methode noch nicht leistbar ist", sagt Ulrich.

Neben den zehn Kriminalisten der Tatortgruppen, hat das Dezernat 25 weitere Mitarbeiter. Zu ihnen gehören die USBV-Spezialisten, die sich um unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen kümmern oder kurz: die Männer für die tickenden Koffer. Und Mitarbeiter, die für die EDV-Beweissicherung und Auswertung zuständig sind.

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