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Europa- und Kommunalwahl AfD-Chef Lucke: "Wir werden bewusst diffamiert"

16.05.2014, 16:40

Die Alternative für Deutschland (AfD) tritt erstmals bei der Europa- und der Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt an. Im Interview mit Volksstimme-Reporter Matthias Stoffregen verteidigt Bundesparteichef Bernd Lucke seine Kritik am Euro.

Volksstimme: Herr Lucke, Ihre Partei tut sich vor allem schwer mit dem Euro. Was kritisieren Sie an der Währung?
Bernd Lucke: Der Euro hat Südeuropa in eine schwere Krise getrieben, die unvermindert andauert. Er spaltet damit Europa. Die südeuropäischen Staaten sind nicht wettbewerbsfähig, solange sie den Euro als gemeinsame Währung haben. Lange Zeit war ja Europa eine Wachstumsgemeinschaft, jetzt ist es zu einer Umverteilungsgemeinschaft von Nord nach Süd geworden. Das ist schlecht für Europa.

"Die Südeuropäer würden wohl aus dem Euro austreten."

Sie wollen den Euro abschaffen?
Das ist eine Überspitzung. Die südeuropäischen Staaten sollen aus dem Euro ausscheiden dürfen. Wenn sie im Euro drinbleiben wollen, sollen sie künftig ihre Schulden und die Schulden ihrer Banken selber bezahlen müssen. Aber unter diesen Umständen würden die Südeuropäer wohl aus der Währungsgemeinschaft austreten.

Droht nicht der Euro zu zerbröseln, wenn ein Land oder mehrere aussteigen?
Was sinnvoll ist, wird bleiben. Warum sollte der Euro zerbröseln, solange es Länder gibt, die sich von ihm Vorteile versprechen? Schon jetzt sind nicht alle EU-Staaten im Euro. Lassen wir doch die ausscheiden, die rauswollen, und behalten wir den Euro für die Staaten, die ihn haben wollen. Das ist für beide Seiten besser.

Deutschland profitiert vom Euro, die Wirtschaft exportiert viele Waren ins Ausland. Würde die Wiedereinführung der D-Mark nicht Jobs kosten, wenn die Firmen ihre Produkte im Ausland nicht mehr loswerden? Griechen und Spanier könnten sich die Waren dann nicht mehr leisten, weil es zu einer Aufwertung der deutschen Währung kommen würde.
Deutschland profitiert derzeit zu Lasten der Krisenstaaten. Das ist nicht sehr proeuropäisch. Dennoch wollen wir ja gar nicht die DM wiedereinführen, sondern wir wollen, dass der Süden Europas den Euro endlich verlassen darf, damit diese Staaten ihre Krise überwinden können. Davon würde Deutschland sogar profitieren, denn die deutschen Exporte nach Südeuropa sind in den letzten Jahren stark geschrumpft, eben weil diese Staaten in der Krise sind. Übrigens liegt die eigentliche Ursache für die hohen deutschen Exporte nicht im Euro, sondern an der starken Lohnzurückhaltung seit 2005. Unsere Reallöhne sind kaum noch gestiegen und dadurch sind wir so wettbewerbsfähig geworden. Die deutschen Arbeitnehmer haben durch Lohnverzichte für den Erfolg unserer Exportwirtschaft bezahlt.

Angenommen, die Währungsgemeinschaft würde zerbröseln - wäre das aus Ihrer Sicht ein Nachteil für Deutschland?
Falls wir die DM zurückbekämen, müsste man eine drastische Aufwertung verhindern. Das kann die Bundesbank durch Interventionen tun. Die Schweizer Nationalbank verhindert so ja auch eine Aufwertung des Franken. Die Bundesbank würde dafür sorgen, dass die Aufwertung der DM nur langsam erfolgt, und eine langsame Aufwertung der DM haben wir immer gehabt, seit es die DM gibt. Das hätte übrigens auch positive Effekte, denn Urlaubreisen, Benzin, Heizöl und Südfrüchte würden dadurch ja billiger werden. Auch könnten deutsche Unternehmen Rohstoffe und Vorleistungen billiger importieren. Man darf eine Aufwertung nicht verteufeln: Sie hat positive und negative Seiten. Aber zunächst mal besagt sie, dass die Währung, die man in der Hand hat, wertvoller geworden ist.

"Wir bekommen Unterstützung aus allen politischen Lagern."

Wenn die AfD den Einzug in das Europaparlament schafft - mit welchen Parteien dort wollen Sie dann zusammenarbeiten?
Dass die AfD ins Europaparlament kommt, ist ja sicher, denn es gibt keine Sperrklausel und wir liegen in den Umfragen bei 7 Prozent. Die Altparteien wollen nun im Europaparlament auf einen europäischen Bundesstaat hinarbeiten. Immer mehr wesentliche politische Entscheidungen sollen in Brüssel getroffen werden und insbesondere sollen die Staats- und Bankschulden der Länder vergemeinschaftet werden. Da sind wir strikt dagegen. Wir wollen, dass die EU ein Staatenbund aus souveränen Staaten bleibt. Und deshalb werden wir mit Parteien des gemäßigten Spektrums zusammenarbeiten, die das genauso sehen.

Könnten Sie sich eine Zusammenarbeit mit der eurokritischen Partei Ukip aus Großbritannien vorstellen?
Nein, mit Ukip werden wir nicht zusammenarbeiten. Die haben ja ganz andere Vorstellungen über die Zukunft der EU. Die wollen, dass Großbritannien aus der EU austritt. Das wollen wir nicht, denn die Briten sind der zweitgrößte Nettozahler in der EU, Deutschland ist der größte. Da können Sie dreimal raten, wer dann die britischen Lasten übernehmen müsste. Außerdem hat Ukip im Parlament vor allem durch Abwesenheit geglänzt. Das ist gar nicht unser Stil, wir wollen konstruktiv mitarbeiten.

Gilt das auch für Geert Wilders und die PVV in den Niederlanden?
Noch viel mehr, diese Partei ist ja noch viel schlimmer. Wilders oder LePen kommt überhaupt nicht infrage.

Welche Wähler wollen Sie bei der Wahl in Deutschland erreichen?
Wir bekommen Unterstützung aus allen politischen Lagern, weil wir eine unideologische, vernunftorientierte Partei sind. Uns wählen Bürger, die sich um die Zukunft Deutschlands Sorgen machen, die Angst haben vor steigenden Schulden und Steuerlasten aus der Euro-Rettungspolitik und die sich vor Inflation fürchten. Das sind Sorgen, die sich linke, konservative, sozialdemokratische oder liberale Wähler gleichermaßen machen. Das betrifft Bürger aller sozialen Schichten, einfache Arbeiter genauso wie Akademiker. Wir sind keine Klientelpartei wie FDP und Grüne, sondern eine kleine Volkspartei.

Warum treten Sie nicht nur bei der Europawahl, sondern auch bei der Kommunalwahl an - ist es nicht besser, sich als junge Partei auf eine Wahl zu konzentrieren?
Nein, ich halte es für ganz wichtig, dass wir auch bei der Kommunalwahl antreten. Wir wollen ja gerade als Bürger Politik für die Gemeinschaft machen. Viele in der Partei können sich jetzt Sporen verdienen, indem sie zeigen, dass sie als Bürger für ihre Kommune Verantwortung übernehmen. Und das ist wichtig für uns, weil wir so Vertrauen bei den Bürgern gewinnen können.

"Fehlbesetzungen kommen auch bei den Altparteien vor."

Es gibt bei der Kommunalwahl viele Listen zu füllen. Haben Sie nicht Bedenken, dass da auch mal Leute kandidieren, die man sich nicht in der Partei wünscht?
Es kann immer mal einen Fehlgriff geben, aber Fehlbesetzungen kommen ja auch bei den Altparteien reichlich vor. Und politische Neulinge können auch positive Überraschungen sein; Leute, die frischen Wind reinbringen und keine Angst haben, auch mal anzuecken.

Wie kommt es, dass die AfD in die rechte Ecke gestellt wird?
Das verstehe ich auch nicht. Das muss so eine Art Selbstverteidigungsreflex bei den Altparteien sein. Die glauben, dass jeder, der anderer Meinung ist, automatisch rechts ist. Selbst den Piraten hat man das anfangs unterstellt. Wir werden bewusst diffamiert, weil die Altparteien Angst vor einer neuen, seriösen Partei haben, die ihnen die Wähler abspenstig macht. Sie verunglimpfen uns, um das Vertrauen zu erschüttern, das unsere Wähler uns entgegenbringen.