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Die Universität Leipzig erklärt West-Studenten Sächsisch Die Krux mit den "Wogahlen"

Von Birgit Zimmermann 18.11.2010, 04:15

Was ist einer der Lieblingssätze des Sachsen? "Jetz mach mers uns erstma rischtsch scheen gemietlisch", sagt Kommunikationstrainerin Annekatrin Michler. Dann erklärt sie Neu-Studenten der Uni Leipzig, dass Sachsen bestimmt keine "Goddsbroggen" sind.

Leipzig (dpa). Dozentin Annekatrin Michler wirft ihren Studenten ein paar harte Brocken hin. "Härrnschen" ruft sie, "Gelummbe" und "Motschegiebschen". Die rund 40 jungen Leute im Hörsaal 16 der Universität Leipzig gucken leicht irritiert und lachen. Sie sitzen im ersten Sächsisch-Kurs ihres Lebens – und verstehen vor allem: Bahnhof. Michler hilft ihnen aus der Patsche und übersetzt: "Hörnchen", "Zeug" und "Marienkäfer". Die Dialekt-Kunde ist ein amüsantes Angebot der Uni Leipzig für ihre neuen Studenten, von denen dank Werbekampagnen immer mehr aus Westdeutschland stammen.

Michler ist Kommunikationstrainerin. In dem einstündigen Kurs beweist sie komödiantisches Talent. Egal ob sie den "Zauberlehrling" auf sächsisch vorträgt oder Reime der Mundart-Dichterin Lene Voigt – die Studenten aus Niedersachsen, Hessen oder dem Schwabenland haben ihren Spaß. Weil es mit dem Hören und Verstehen des Sächsischen für Neulinge immer etwas schwierig ist, hält Michler Schilder in die Höhe. "Wogahle" steht auf einem, und Michler erklärt, dass ein A im Sächsischen eher ein O ist. Welche Folgen das für den "Affen" hat, begreifen die Studenten schnell und brummen im Chor: "Offe". Von den "Gonsonanden" sei zu berichten, sagt Michler, dass der Sachse drei einspart: P, K und T. "Aus Effizienzgründen."

Der Kursus solle den neuen Studenten einen lockeren Einstieg in ihr Studium und das Leben in Leipzig bringen, sagt Nancy Beyer. Sie koordiniert die Kampagne "Abenteuer Fernost", mit der die Universität seit nunmehr knapp zwei Jahren intensiv um Abiturienten aus dem Westen Deutschlands wirbt. Das ist der ernste Hintergrund der spaßigen Sächsisch-Lektion. Die Hochschulen im Osten werden derzeit vom Geburtenknick nach dem Mauerfall eingeholt.

Teil der Kampagne "Studieren in Fernost"

Zwischen Ostsee und Erzgebirge gibt es immer weniger Abiturienten. Um trotzdem die Zahl der Neueinschreibungen hoch zu halten und den Hochschulpakt zu erfüllen, sollen mehr Studenten aus dem Westen angezogen werden.

Laut Beyer funktioniert das Konzept des "Abenteuers Fernost". Im Wintersemester 2010/2011 hätten sich rund 800 West-Abiturienten für Leipzig entschieden. Früher seien es halb so viele gewesen. Die Leipziger Aktion ist Teil der überregionalen Kampagne "Studieren in Fernost", an der sich 44 Ost-Hochschulen beteiligen. Zehn Millionen Euro stellt das Bundesforschungsministerium bis 2012 für die Initiative zur Verfügung.

Anastasia Klink ist eine jener jungen Westdeutschen, die sich auf das "Abenteuer Fernost" eingelassen haben. Die 19-jährige Hessin studiert seit kurzem evangelische Theologie in Leipzig. Sie habe sich schon in die Stadt verliebt, sagt sie. Und mit dem speziellen Dialekt sei es halb so wild: "Man gewöhnt sich halt dran und entwickelt eine gewisse Übung im Gehör." Eine Kommilitonin aus Niedersachsen ist sogar schon einen Schritt weiter. Was sie im Sächsisch-Kurs gelernt habe? "Nischt", sagt sie und lacht.