1. Startseite
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Technik
  6. >
  7. Warum 5G nicht an jeder Milchkanne verfügbar sein wird

Flächendeckende Versorgung? Warum 5G nicht an jeder Milchkanne verfügbar sein wird

Mit dem Mobilfunkstandard 5G sind hohe Erwartungen verbunden. In den Gegenden mit großen Funklöchern hoffen die Handy-Nutzer auf Besserung. Doch ausgerechnet die 5G-Frequenzen, die nun versteigert werden, eignen sich kaum für eine flächendeckende Versorgung.

Von Christoph Dernbach, dpa 11.03.2019, 12:35

Berlin (dpa) - Es war eigentlich nur ein flotter Spruch in einem Interview zur geplanten Auktion der 5G-Mobilfunkfrequenzen: "5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig", sagte Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) im vergangenen November.

Sie machte sich gleichzeitig für einen flächendeckenden Ausbau der 4. Mobilfunkgeneration LTE stark. Es folgte ein Sturm der Entrüstung. Zwei Stimmen von vielen: SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kritisierte, Karliczek wolle "ganze Regionen von technologischen Entwicklungen wie 5G abhängen". Die Grünen meinten: "Wenn es irgendwo schnelles Netz braucht, dann doch bitte auf dem Land. Da gibt's günstigen Wohnraum, Platz für Unternehmen, fitte Leute - aber eben oft kein schnelles Internet."

Inzwischen haben sich die Wogen wieder etwas geglättet. Doch mit der Versteigerung der Frequenzen für die 5. Mobilfunkgeneration rückt auch wieder die Frage in den Mittelpunkt, welchen Beitrag 5G zur Beseitigung der "weißen Flecken" auf der Mobilfunk-Landkarte liefern kann. Auch in der Landwirtschaft warten etliche Hightech-Bauern auf ein Mobilfunknetz mit minimaler Signallaufzeit, damit beispielsweise Mähdrescher mit Internet-Anschluss komplett autonom - und bei Bedarf sicher ferngesteuert - über die Felder fahren können.

Technisch gesehen ist es aber keine banale Aufgabe, den schnellen 5G-Funk in jeden Winkel Deutschlands zu bringen. Das liegt zunächst einmal an der Tatsache, dass bei den hohen Ansprüchen an das neue Netz die meisten Mobilfunk-Basisstationen über Glasfaserleitungen angebunden sein müssen. In Ausnahmefällen kann eine Basisstation auch mit Richtfunk ins Netz gebracht werden. Diese Funkverbindung kann aber nicht die Geschwindigkeiten der Glasfaser bieten. In der Regel gilt deshalb: Ohne Glasfaser kein 5G.

Erschwerend kommt hinzu, dass die bei der Auktion angebotenen 5G-Frequenzen eigentlich nicht für eine flächendeckende Versorgung in Frage kommen. "Jetzt wird Spektrum bei 3,6 Gigahertz versteigert. Das ist allerdings wegen ungünstiger Ausbreitungsbedingungen für die Flächenversorgung gänzlich ungeeignet", kritisierte Achim Berg, Präsident des Branchenverbandes Bitkom. Anstelle der existierenden 60.000 bis 70.000 Funkmasten brauche man im 3,6er Band rund 800.000 Funkmasten, um 98 Prozent der Haushalte mit 5G zu versorgen, rechnete Berg vor. "Deutschland müsste im Abstand von je einem Kilometer mit Funkmasten gespickt und schachbrettmusterartig aufgebaggert oder aufgefräst werden. Dagegen entstehen jetzt schon die ersten Bürgerinitiativen."

Bei der Kalkulation des Bitkom-Präsidenten wurde allerdings nicht berücksichtigt, dass 5G auch mit niedrigeren Frequenzen funktioniert, die die Provider bereits vor drei Jahren ersteigert haben. Das 700-MHz-Band wurde einst für die erste Version des digitalen Antennen-Fernsehens DVB-T genutzt und wurde nach 2015 Schritt für Schritt für den Mobilfunk leergeräumt. Der Teufel liegt aber auch hier im Detail: Die drei großen Provider - Telekom, Vodafone und Telefónica (O2)- verfügen im 700-MHz-Band nur über enge Slots von zwei mal zehn Megahertz. Aufgrund dieser geringen Bandbreite wird sich deshalb die dort erzielbare Datenrate bei 5G in engen Grenzen halten.

Da andere Frequenzbereiche mit hoher Reichweite für 5G in absehbarer Zeit nicht frei werden, müssen die Mobilfunk-Kunden auf dem Land darauf hoffen, dass sich zumindest die Versorgung mit der vierten Mobilfunkgeneration LTE verbessert. Dort werden nämlich Frequenzen verwendet, die sich besser für eine flächendeckende Versorgung eignen (800 MHz und 900 MHz) als die neuen Frequenzen aus der 5G-Auktion. Positiv auswirken wird sich dabei, dass Technologiekonzerne wie Qualcomm und Samsung auch daran arbeiten, den bestehenden Standard LTE immer schneller zu machen.

Aber auch für die Verbesserung der LTE-Versorgung müssen viele neue Basisstationen aufgestellt werden. Und dafür benötigt man auch die Glasfaser-Leitungen in der Fläche. Damit sich der ganze Aufwand rechnet, wächst der Druck auf die Provider, mit ihren Wettbewerbern zusammenzuarbeiten. Das Szenario, dass ein Mobilfunkunternehmen die Basisstation samt Funkmast komplett aufbaut, ans Netz anschließt, betreibt und dann die Kunden der Konkurrenz über ein regionales Roaming mitfunken lässt, stößt allerdings bei Telekom, Vodafone und Telefónica auf Widerstand. Sie bevorzugen eine Zusammenarbeit bei der Infrastruktur: Ein Provider sorgt für den Glasfaser- und Stromanschluss und stellt den Funkmast auf. Die Wettbewerber können dann für ihre Technik einen Platz mieten und darüber ihre Kunden ohne Roaming direkt bedienen.

Vodafone-Deutschland-Chef Hannes Ametsreiter schlug auf dieser Grundlage bereits eine "Allianz gegen Funklöcher" von Vodafone, Telekom und Telefónica vor. "Wir drei Netzbetreiber, die wir wirklich in Deutschlands Infrastruktur investieren wollen, teilen uns die Flecken auf. Jeder baut dann ein Drittel davon aus", sagte er in einem Interview mit der "Welt am Sonntag". Einen schnellen Ausbau der 5G-Netze in der Fläche erwartet Ametsreiter nicht. "Es braucht acht bis zwölf Jahre, um mit einem neuen Netz eine gute Abdeckung zu erreichen."

Damit läuft viel auf den Plan hinaus, den Forschungsministerin Karliczek bei ihrem verunglückten Interview im vergangenen November angekündigt hatte: 4G-Ausbau flächendeckend und dann irgendwann 5G draufsetzen. Das Zitat mit der Milchkanne will die CDU-Politikerin aber nicht mehr wiederholen. "Ich glaube, ich habe da ein falsches Bild gewählt", sagte sie in einem ZDF-Interview. "Ich wollte in der Diskussion einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass die Menschen einschätzen können, wie es voran geht."