Tourist attackiert Attacke am Holocaust-Mahnmal: „Er rief irgendwas mit Allah“
Seinen ersten Besuch in Berlin überlebt er nur knapp. Die Wunden des Angriffs am Holocaust-Mahnmal sind noch lange nicht verheilt. Zum Prozess gegen den mutmaßlichen Täter kehrt der Spanier zurück.

Berlin - Sein zweiter Besuch in die Stadt, in der sich sein Leben binnen Sekunden grundlegend geändert hat, ist ihm schwergefallen: Mehr als neun Monate nach der mutmaßlich radikal-islamistischen und antisemitischen Messerattacke am Holocaust-Mahnmal in Berlin schildert das Opfer im Prozess, wie es noch immer körperlich und psychisch unter den Folgen leidet. „Ich kann bis heute nicht aushalten, dass jemand von hinten kommt und mich anfasst“, sagt der Spanier vor dem Kammergericht. Angeklagt ist ein 19-jähriger Syrer.
„Er fasste mir von hinten auf die Schulter, mit der anderen Hand hat er geschnitten“, schilderte der 31-Jährige bei seiner Aussage, die eine Dolmetscherin übersetzte. Den Angreifer habe er bei dem Geschehen „nie wirklich gesehen“. Der Mann habe „irgendwas mit Allah“ gerufen.
Regelmäßig Flashbacks
Der Ernährungswissenschaftler, der nach eigenen Angaben früher Radprofis betreute, ist bis heute nicht in der Lage zu arbeiten und in psychologischer Behandlung. Er leide regelmäßig unter Flashbacks, bei denen er das Ereignis wieder erlebe. „Bis heute ist es sehr schwierig für mich, im Dunkeln rauszugehen“, so der 31-Jährige, der im Verfahren auch Nebenkläger ist. Der Spanier aus dem Baskenland ist zurück zu seinen Eltern gezogen, weil er nach der Tat vom 21. Februar auf Unterstützung angewiesen ist - auch finanziell.
Verteidiger: „ehrliches Bedauern“
Der Angeklagte, der an jenem Tag von Leipzig nach Berlin gereist sein soll, um die Tat zu begehen, hat sich bislang nicht vor Gericht geäußert. Nach der Vernehmung des Opfers lässt er jedoch über seinen Verteidiger „sein ehrliches Bedauern“ ausdrücken. Er habe ihn gebeten, den Wunsch auszurichten, dass „Sie aus den schrecklichen Erlebnissen wieder zum normalen Leben zurückfinden“, erklärte Anwalt Daniel Sprafke.
Sein Mandant hatte sich etwa zweieinhalb Stunden nach dem Messerangriff im Stelenfeld der Gedenkstätte, mit der an die Ermordung von sechs Millionen Juden in Europa unter der Nazi-Herrschaft erinnert wird, gestellt. Der 19-Jährige sei mit erhobenen Händen auf Einsatzkräfte zugegangen und habe und zugegeben, für den beinahe tödlichen Angriff verantwortlich zu sein, sagte ein Polizist im Prozess aus. Der Mann habe sich ohne Gegenwehr festnehmen lassen, schilderte ein weiterer Beamter.
Im Rucksack des jungen Mannes hätten Kollegen unter anderem einen Gebetsteppich, einen Koran und ein Jagdmesser sichergestellt, sagten die Polizisten vor Gericht. Der Anwalt des Angeklagten widersprach im Prozess, diese Angaben als Beweismittel zu verwerten. Es ist noch unklar, wie das Gericht damit umgehen wird. Offen ist auch, ob sich der Syrer doch noch vor Gericht zu den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft selbst äußern wird.
Die Ankläger werfen Wassim Al M. versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung und versuchte Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor. Er habe im Namen des „Islamischen Staats“ (IS) einen Angriff auf einen Menschen begehen und diesen töten wollen. Den Ermittlungen zufolge wählte der Angeklagte das Holocaust-Mahnmal als Tatort, weil er davon ausging, dort „mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Menschen jüdischen Glaubens“ zu treffen.
Erster Besuch in Berlin
Das Opfer, das nicht jüdischen Glaubens ist, besuchte damals mit seiner Freundin und einem Freund die Gedenkstätte. Der 31-Jährige war damals zum ersten Mal in Berlin zu Besuch. Er wurde bei der Messerattacke lebensgefährlich verletzt. Laut Anklage erlitt er einen 14 Zentimeter langen Schnitt an der Kehle sowie Stichverletzungen im Gesicht und an einem Finger.
Die Verletzung im Gesicht und an der Hand seien entstanden, als er einen zweiten Schnitt des Täters versucht habe abzuwehren, so der Spanier. Die Narben sind bis heute deutlich sichtbar. Angesprochen werde er darauf von anderen Menschen nicht - aber es gebe oft Blicke von ihnen, schildert er gegen Ende der gut zweistündigen Vernehmung.
Unterstützung für Terrorismusopfer
Als Opfer eines terroristischen Anschlags in Deutschland hat er bislang 5.000 Euro bekommen. Ein Verfahren für weitere Unterstützung läuft nach Angaben seines Anwalts noch. Bei Gericht wurde der Mann von einer psychosozialen Prozessbegleitung unterstützt, auch Vertreter der spanischen Botschaft waren vor Ort.
Der Prozess soll am Donnerstag fortgesetzt werden. Insgesamt hat das Gericht bislang zwölf Prozesstage bis zum 29. Januar 2026 geplant.