Opfer des Nationalsozialismus Beschädigte Stolpersteine: „Erinnerungskultur unter Druck“
Nicht nur in Weimar wurden Stolpersteine beschädigt, die an das Schicksal von Juden während der Shoah erinnern. Wie bewerten Fachleute diese Angriffe?

Erfurt/Weimar - Die Beschädigung oder Zerstörung von Stolpersteinen zur Erinnerung an Holocaust-Opfer ist nach Einschätzung von Stiftungsdirektor Jens-Christian Wagner Ausdruck des Kampfs von Rechts gegen die deutsche Erinnerungskultur. „Wer Stolpersteine schändet, tötet die NS-Opfer symbolisch ein zweites Mal“, sagte der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora der Deutschen Presse-Agentur. Die Angriffe zeigten, „dass die Erinnerung an die NS-Verbrechen und ihre Opfer massiv unter Druck steht.“
Hauptursache für diesen Druck sei das Erstarken der AfD. Aus deren Reihen würden „notorisch geschichtsrevisionistische und Holocaust verharmlosende Positionen“ vorgetragen, sagte Wagner. „Die kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus steht dem Aufstieg der Rechtsextremen im Wege.“ Deshalb bekämpfe die AfD die deutsche Erinnerungskultur an die Shoah massiv.
Neue Stolpersteine in mehreren Städten
In Thüringen werden derzeit weitere Stolpersteine verlegt, die an das Schicksal unter anderem von Juden während der Shoah erinnern. Am Mittwoch wurden mehrere Stolpersteine in Eisenach in den Boden eingelassen. Für Donnerstag ist die Verlegung von Stolpersteinen in Erfurt geplant. Sie werden nach Angaben des Erinnerungsorts Topf & Söhne genau 83 Jahre nach der Deportation von 364 Thüringer Jüdinnen und Juden in das NS-Konzentrationslager Theresienstadt angebracht. Sie sollen an die jüdischen Familien Marcus, Wolff, Ardel, Feiner, Meyerstein und Hacker erinnern. Auch in Gotha und Weimar sollen Stolpersteine verlegt werden.
Der Künstler Gunter Demnig hatte diese Form der Auseinandersetzung mit den Schrecken des Nationalsozialismus Anfang der 1990er Jahre begründet. Bei dem Erinnerungs-Projekt werden Gedenksteine vor den Wohnhäusern verlegt, in denen Menschen, die von den Nationalsozialisten verschleppt und oft getötet wurden, gelebt haben.
Nach Angaben von Demnig waren bis August 2024 mehr als 107.000 Stolpersteine in etwa 1.900 Kommunen verlegt worden, nicht nur in Deutschland. Auch in vielen anderen europäischen Ländern seien diese Gedenksteine inzwischen zu finden.
Steine mit roter Farbe beschmiert
Zuletzt waren auch in Thüringen immer wieder Stolpersteine beschädigt oder zerstört worden. Im August und September beispielsweise waren in Weimar Stolpersteine mit roter Farbe beschmiert beziehungsweise mit einem spitzen Gegenstand angegriffen worden. Auch in anderen deutschen Städten gibt es immer Beschädigungen oder Zerstörungen von Stolpersteinen.
Wagner sagte, die Stolpersteine seien aus der deutschen und europäischen Erinnerungskultur nicht mehr wegzudenken. „Ihr großer Mehrwert liegt darin, dass sie am konkreten Wohnort der NS-Verfolgten auf ihre Schicksale aufmerksam machen und damit nicht nur das quantitative Ausmaß der Verfolgung verdeutlichen, sondern auch, dass es sich um Verbrechen handelte, die inmitten der Gesellschaft begangen wurden oder zumindest ihren Ausgang nahmen.“
Indem die Stolpersteine nicht nur an verschleppte oder getötete Juden erinnerten, sondern auch an Menschen, die etwa als Homosexuelle, als politische Gegner oder als Zwangsarbeiter von den Nationalsozialisten verfolgt worden seien, zeige sich die große Bandbreite der Verfolgung im Nationalsozialismus, sagte Wagner.