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Geschichte Besondere Ausgrabung im Winsener Stadtzentrum

Auf den Spuren des alten, verschütteten Rathauses gräbt seit Juni ein archäologisches Team in Winsen/Luhe. Wie bei einem Puzzle müssen kleinste Funde zusammenpassen.

Von dpa Aktualisiert: 20.07.2023, 07:22
Archäologe Jochen Brandt vom Archäologischen Museum Hamburg dokumentiert die Grabung.
Archäologe Jochen Brandt vom Archäologischen Museum Hamburg dokumentiert die Grabung. Ulrich Perrey/dpa

Winsen/Luhe - In Winsen an der Luhe im Landkreis Harburg wird derzeit Baugeschichte entschlüsselt. Für fünf Monate bis November hat das Archäologische Museum Hamburg im Herzen der Altstadt eine große Baustelle errichtet. Das Grabungsareal liegt auf historisch bedeutsamem Gelände, denn der nördliche Kirchvorplatz birgt ein einzigartiges Bodendenkmal-Ensemble. An dieser Stelle befanden sich seit dem Mittelalter das Rathaus und ein städtischer Glockenturm.

„Das hier ist etwas Besonderes“, sagt Kreisarchäologe Jochen Brandt. In der ganzen Umgebung habe es im Mittelalter nur ein Rathaus gegeben, das 1585 einem Feuer zum Opfer fiel, wiederaufgebaut wurde und 1627 im Dreißigjährigen Krieg erneut abbrannte.

1629 ließ die Stadt ein weiteres Mal ein Fachwerkhaus errichten, das bis 1928 Bestand hatte. Die Ergebnisse sollen einen völlig neuen Einblick in die Entstehung der Stadtstrukturen geben. „Das Rathaus war sehr bescheiden, nicht so wie in Lübeck oder Lüneburg“, erzählt Brandt, „die Menschen waren völlig verarmt“.

Mit modernster Grabungstechnik legen die Archäologen systematisch die Überreste des mittelalterlichen Stadtkerns frei. „Die Arbeiten haben ein Kostenvolumen von 200 000 Euro, die wir als Stadt aufbringen müssen“, sagt Bürgermeister André Wiese (CDU).

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich rund um den Kirchvorplatz viele Bauschichten übereinander aufgebaut. Darüber hinaus war die Fläche zwischen Kirche und ehemaligem Rathaus bis zum Jahr 1829 mindestens 600 Jahre lang ein Friedhof. „Es wurde nur 60 Zentimeter unter der Erde bestattet, im Gegensatz zu heute, da sind es etwa 1,50 Meter“, erklärt Brandt. „Das war nicht besonders hygienisch.“ Es gab damals nur einen Friedhof, auf dem nicht viel Platz war. Wer besonders begütert war, fand in der Kirche Platz.

Die Archäologen hoffen nun, dem Boden seine Geheimnisse entlocken zu können, bevor die Neubebauung des Areals startet: Im Rahmen der Innenstadtsanierung „Winsen 2030“ soll ein Wasserspiel errichtet werden. Der historische Ortskern der mehr als 850 Jahre alten Stadt wird im Rahmen einer Sanierung modernisiert.

Schon bei den Voruntersuchungen im März wurden historische Mauer- und Fundamentreste sowie Bestattungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert gefunden. Für die aufwendigen Arbeiten sind auch noch Praktika für Studenten ausgeschrieben. „Das wird noch sehr spannend, vor allem in den tieferen Schichten“, sagt Ole Uecker, Grabungstechniker in der Ausbildung. „Das ist wie ein Puzzle.“