Regierungsbündnis Hält die Politik-Ehe? - Ein Jahr SPD/BSW in Brandenburg
Wenn ein Partner eine Krise hat, kann das eine Ehe schwer belasten. Das ist in der Politik nicht anders, wie das Beispiel der Koalition von SPD und BSW in Brandenburg zeigt. Wie geht es weiter?

Potsdam - Zum Feiern ist der einzigen bundesweiten Koalition aus SPD und BSW in Brandenburg nicht zumute. Zur Papierhochzeit, dem ersten Geburtstag der Politik-Ehe beider Partner, ist die Stimmung angespannt - und es gibt immer wieder Überraschungen. Die BSW-Fraktion im Landtag ist in einer Krise, die SPD wartet ab. Vor einem Jahr, am 11. Dezember 2024, wurde Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erneut als Regierungschef gewählt und die Regierung vereidigt. Woidke benötigte damals zwei Wahlgänge.
Wie stabil ist das Bündnis?
„Brandenburg braucht Stabilität und Brandenburg braucht Sicherheit“, sagte Woidke, als SPD und BSW den Koalitionsvertrag im vergangenen Jahr vorstellten. Stabil und sicher ist die Koalition derzeit nicht. Vier BSW-Abgeordnete traten im November aus der Partei aus - das brachte das Bündnis ins Schwanken. Zwei von den vieren sind inzwischen wieder eingetreten, alle vier wollen bisher in der Fraktion bleiben.
Warum gibt es Zoff?
Seit Bestehen der Koalition lief es teils nicht rund, Differenzen in der Außenpolitik waren vorher schon eingepreist gewesen. Der BSW-Abgeordnete Sven Hornauf verstieß gegen die Vereinbarung, Anträge der Opposition abzulehnen - er unterstützte auch einen AfD-Antrag. Im Oktober lud die BSW-Fraktion den russischen Botschafter in Deutschland, Sergej Netschajew, zu einer Ausstellungseröffnung ein - das sorgte bei der SPD für Stirnrunzeln.
Größeren Streit löste die Rundfunkreform aus. Die BSW-Minister stimmten der Reform im Kabinett zu, der BSW-Bundesvorstand lehnte sie Monate später ab. Finanzminister und Ex-BSW-Landeschef Robert Crumbach stand und steht in der Fraktion in der Kritik. Kurz darauf traten die vier Abgeordneten aus der Partei aus und sprachen von „autoritären Tendenzen“ im BSW.
Ein Misstrauensantrag gegen die Fraktionsspitze scheiterte knapp. Die Rundfunkreform kam in Brandenburg zwar durch, aber nur dank der CDU. Die Koalition hatte keine eigene Mehrheit, weil das BSW mehrheitlich dagegen war. Dann trat Reinhard Simon wieder in die Partei ein, nach dem BSW-Bundesparteitag folgte nun Melanie Matzies. Es geht hin und her.
Steht das BSW hinter der Koalition?
Die bisherige BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht stellt die Koalition in Brandenburg nicht offen infrage. Beim Bundesparteitag stand das Signal für die Partei aber eher auf Opposition. „Koalieren heißt: selbstbewusst unsere Wählerinnen und Wähler vertreten. Und die haben uns nicht gewählt, SPD-Politik zu machen.“ Das war eine indirekte Kritik an Crumbach. Landeschefin Friederike Benda macht klar: „Mein Job als Landesvorsitzende in Brandenburg ist es nicht, dem Koalitionspartner zu gefallen, sondern unsere Grundsätze durchzusetzen.“
Was hat die Koalition geschafft?
Während die Opposition ein instabiles Bündnis sieht, spricht SPD-Fraktionschef Björn Lüttmann von einer „sehr erfolgreichen Koalition“ - was die Arbeitsbilanz angeht. Was brachten beide Parteien bisher auf den Weg?
- Doppelhaushalt: Beide Parteien einigten sich auf die Haushalte für 2025 und 2026 mit mehr Geld für Polizei und Krankenhäuser, weniger für Lehrer.
- Bürokratieabbau: Für Wirtschaft, Landwirtschaft und Verwaltung soll die Bürokratie eingedämmt werden. Dazu wurden Schritte vereinbart.
- Landesaufnahmegesetz: Es soll für mehr Struktur und Ordnung im Umgang mit Asylbewerbern sorgen.
- Aufarbeitung der Pandemie: Mit einer Enquete-Kommission wollen SPD und BSW die Corona-Politik während der Pandemie aufarbeiten.
- Windkraft: Der Wind-Euro von Betreibern für Kommunen mit Windrädern in der Nähe wird erhöht. Ein Wildwuchs von Wildkraft soll verhindert werden.
- Mietpreisbremse: In 36 Städten und Gemeinden - deutlich mehr als bisher - soll ab dem kommenden Jahr die Mietpreisbremse gelten.
Kann die Koalition trotzdem zerbrechen?
„Ein Platzen der Koalition halte ich nach wie vor für realistisch“, sagt der Potsdamer Politikwissenschaftler Jan-Philipp Thomeczek. „Ich glaube nicht, dass diese Koalition nochmal gefestigter wird als sie es jetzt ist - und jetzt ist sie definitiv nicht gefestigt.“ Erstens sei die Mehrheit sehr knapp mit zwei Stimmen, zweitens neigten Koalitionen mit populistischen Parteien - wozu das BSW zähle - dazu, instabiler zu sein. Drittens gelte dies auch für Koalitionen mit neuen Parteien, weil sie in ihrer Organisation noch nicht so gefestigt seien und die Mitgliederschaft noch sehr ungleichmäßig sei.
Was wäre die Alternative - Neuwahl?
Eine Neuwahl gilt wegen der hohen Hürden als unwahrscheinlich. Eine Minderheitsregierung der SPD wäre nicht stabil - zudem müsste die SPD auch wieder im BSW nach Stimmen suchen, um Gesetze durchzubekommen. Auch eine Koalition von SPD und CDU hätte keine Mehrheit. Die AfD-Fraktion bringt nächste Woche einen Antrag in den Landtag, mit dem Woidke aufgefordert werden soll, die Vertrauensfrage im Parlament zu stellen. Der machte deutlich, dass er das nicht vorhat. „Die Regierung steht“, sagt er. Und fordert den Partner auf, den Konflikt zu beenden.