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Studie Stimmung in „Polykrise“: Viele unzufrieden mit Demokratie

Viele Menschen in Thüringen unterstützen die Demokratie, sind aber mit der Umsetzung in die Praxis unzufrieden. Eine Studie dazu zeigt auch, wie stark rechtsextreme Einstellungen verbreitet sind.

Von dpa Aktualisiert: 06.05.2025, 14:40
Die Jenaer Politikwissenschaftlerin Marion Reiser stellt den aktuellen Thüringen-Monitor in Erfurt vor. (Archivbild)
Die Jenaer Politikwissenschaftlerin Marion Reiser stellt den aktuellen Thüringen-Monitor in Erfurt vor. (Archivbild) Martin Schutt/dpa

Erfurt - Die Schere geht immer weiter auf: Während fast jeder neunte Thüringer die Demokratie für die beste Staatsidee hält, ist mehr als die Hälfte der Menschen im Freistaat mit ihrer Umsetzung nicht zufrieden. Das geht aus dem neuen Thüringen-Monitor 2024 hervor, den die Jenaer Politikwissenschaftlerin Marion Reiser in Erfurt vorstellte. Demnach gaben nur 43 Prozent der Befragten an, zufrieden mit der Umsetzung der Demokratie in der Praxis zu sein - das sind noch einmal zwei Prozentpunkte weniger als im Jahr 2023.

Die Unterstützung für die Demokratie bleibt dagegen konstant: Fast neun von zehn Thüringerinnen und Thüringern finden, dass die Demokratie „die beste aller Staatsideen ist“ - der Anteil lag wie im Jahr 2023 bei 88 Prozent. Reiser sprach von einer sich öffnenden Schere. 

Abstiegsängste und wirtschaftliche Lage

Es seien die Auswirkungen einer „Polykrise“ in Wirtschaft, Politik und Sicherheitspolitik zu erkennen, sagte Reiser. Die Demokratie-Zufriedenheit sei in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Das hänge stark mit der Einschätzung der wirtschaftlichen Lage zusammen, aber auch mit dem Gefühl, nicht richtig wahrgenommen zu werden. „Wir sehen eben, dass solche Abstiegsängste, Sorgen vor der Zukunft, auch Gefühle der Benachteiligung immer dann besonders ansteigen, wenn es Krisen gibt, gerade auch im wirtschaftlichen Bereich“, sagte Reiser.

Der Studie zufolge waren vor allem Menschen mit der Umsetzung der Demokratie unzufrieden und zeigten ein geringes Vertrauen in die Institutionen, die zugleich auch die eigene wirtschaftliche Lage und die wirtschaftliche Situation Thüringens negativ bewerteten.

Der Thüringen-Monitor wird jährlich im Auftrag der Staatskanzlei von Forschern der Friedrich-Schiller-Universität Jena erhoben. Die Studie gibt es im Freistaat seit dem Jahr 2000, dafür werden unter anderem die politischen Einstellungen der Menschen in Thüringen untersucht. Im Jahr 2024 fand die Befragung unmittelbar nach der Landtagswahl statt.

Zustimmung für „fremdenfeindliche Aussagen“

Im Thüringen-Monitor wurden auch rechtsextreme, ethnozentristische und neo-nationalsozialistische Einstellungen abgefragt. Der Studie zufolge zeigten 20 Prozent der Befragten rechtsextreme Einstellungen. Neo-nationalsozialistische Einstellungsmuster seien mit 7 Prozent erneut etwas weiter verbreitet als in den drei Jahren zuvor. Dazu gehören etwa den Nationalsozialismus verharmlosende, sozialdarwinistische, antisemitische und diktaturbefürwortende Einstellungen.

Die Verbreitung ethnozentrischer Einstellungsmuster sei zum dritten Mal in Folge gestiegen - auf 41 Prozent. „Insbesondere fremdenfeindliche Aussagen erfahren in diesem Jahr erhöhte Zustimmungswerte. So stimmen 63 Prozent der Aussage zu „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet““, heißt es in einer Kurzfassung der Studie.

Studie soll fortgesetzt werden

Thüringens Staatskanzleichef Stefan Gruhner betonte, dass die neue Landesregierung den Thüringen-Monitor weiterführen wolle. „Wir schätzen dieses Werk“, sagte Gruhner. 

Eine Schlussfolgerung aus den Ergebnissen des Thüringen-Monitors sei, dass der Staat handlungsfähig sein müsse. „Der Staat muss als leistungsfähig und auch als gerecht erlebt werden“, sagte Gruhner. Beim Thema Migration etwa erwarteten die Bürgerinnen und Bürger, dass Probleme gelöst würden. 

Für die Landesregierung sei zudem wichtig, „das Wir-Gefühl im Land“ zu stärken. Politik müsse gut erklärt werden. Das Vertrauen in Demokratie könne nur dann gestärkt werden, wenn politisches Handeln auch nachvollzogen werden könne. „Demokratie muss am Ende immer zugänglich und erfahrbar sein“, sagte er. Gruhner bekräftigte die Absicht, Bürgerräte in Thüringen zu bilden.

Mehr Beteiligung der Menschen

Reiser sagte, Menschen, die sich beteiligten und einbrächten, seien in der Regel zufriedener mit der Demokratie. „Auch Bürgerräte finde ich grundsätzlich eine gute Idee“, sagte sie. Die Bürgerräte müssten aber so gestaltet werden, dass dort nicht nur Menschen mitmachten, die ohnehin schon zufriedener seien und über große Ressourcen verfügten - etwa eine gute Bildung. 

Zudem müssten die Ergebnisse auch aufgegriffen werden, sonst führe das zu Frust. „Die Idee per se ist gut, aber es kommt eben auf die konkrete Umsetzung an“, sagte Reiser. Die Bildung von Bürgerräten hat die Thüringer Brombeer-Koalition in ihrem Koalitionsvertrag verankert - vor allem das Bündnis Sahra Wagenknecht dringt auf eine zügige Umsetzung.