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Urteil Lebenslange Freiheitsstrafe nach Brand mit vier Toten

Ein Feuer kostet in Apolda vier Menschen das Leben, viele weitere werden verletzt. Jetzt fiel am Landgericht Erfurt ein Urteil zu dem Verbrechen - es steht im Licht von zwei Gutachten, deren Ergebnisse unterschiedlicher nicht sein könnten.

Von dpa Aktualisiert: 12.09.2023, 14:21
Ein Schild mit der Aufschrift „Landgericht Erfurt“ am Eingang zum Gebäude.
Ein Schild mit der Aufschrift „Landgericht Erfurt“ am Eingang zum Gebäude. Jacob Schröter/dpa

Erfurt - In einer Augustnacht brennt es in einem Apoldaer Wohnhaus, in dem sich etwa 40 Menschen befinden. Dramatische Szenen spielen sich ab: Eltern werfen aus Verzweiflung ihre Kinder aus den Fenstern in Büsche, mit einer getränkten Decke bringt ein Vater nach und nach Familienmitglieder nach draußen. Drei Menschen ersticken und ein Mann stirbt beim Versuch, sich mit einem Sprung aus dem Fenster zu retten. Nun ist der Mann, der das Feuer im hölzernen Treppenhaus legte, am Landgericht Erfurt verurteilt worden.

Das Urteil: eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes in vier tateinheitlichen Fällen, versuchten Mordes in 30 tateinheitlichen Fällen und Brandstiftung mit Todesfolge in vier Fällen (Az.: Ks 904 Js 27380/22). Zudem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis nach 15 Jahren nahezu ausgeschlossen. „Es ist ein furchtbares Geschehen, weswegen wir hier zu Gericht sitzen“, sagte der vorsitzende Richter Markus von Hagen in der Urteilsbegründung am Dienstag.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte in einer Nacht im August vergangenen Jahres in Apolda ein Feuer in dem Wohnhaus legte, von dem er wusste, dass dort viele Menschen lebten, darunter auch Kinder. Vier Menschen starben, viele wurden verletzt. Der Angeklagte hatte die Tat eingeräumt, allerdings bestritten, dass er jemanden habe töten wollen. „Mein Ziel war, nur materiellen Schaden am Gebäude anzurichten“, übersetzte seine Dolmetscherin am Dienstag den Bulgaren.

Das Gericht sah aber sehr wohl eine bedingte Tötungsabsicht und auch andere Mordmerkmale im Vorgehen des Mannes: Der Angeklagte habe das Feuer heimtückisch zu nachtschlafender Zeit und mit Benzinkanistern als gemeingefährliche Mittel gelegt. Zudem habe er aus niedrigen Beweggründen gehandelt, weil er sich an wenigen Bewohnern des Hauses habe rächen wollen, mit denen er sich um 250 Euro gestritten hatte. Er habe die Tat geplant, angekündigt und mit Bedacht gehandelt.

„Es tut mir leid, dass diese Menschen den Tod gefunden haben“, so der Angeklagte. Er betonte in seinem letzten Wort mehrfach, dass er psychisch krank sei. Er wolle sich weiter behandeln lassen, in der Klinik bleiben, in die er zwischenzeitlich wegen seiner Gesundheit untergebracht worden war.

Doch genau die Frage nach dem psychischen Zustand des Mannes war in der Verhandlung der Knackpunkt gewesen. In einem ersten Gutachten war eine Expertin zum Schluss gekommen, dass der Mann paranoide Schizophrenie habe und deshalb zum Tatzeitpunkt schuldunfähig gewesen sei. Deshalb war es zwischendurch in dem Verfahren um die Frage gegangen, ob der Mann grundsätzlich in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden müsste. Ein zweiter Gutachter befand allerdings, dass der Mann zwar eine schwere psychische Erkrankung haben könnte, zum Tatzeitpunkt aber voll schuldfähig gewesen sei.

Der Verteidiger stützte sein Plädoyer vor allem auf das erste Gutachten: Er beantragte daher Freispruch für seinen Mandanten und die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtungen, auch da weitere erhebliche strafbare Handlungen zu erwarten seien.

Oberstaatsanwalt Rainer Kästner-Hengst beantragte auf Grundlage des zweiten Gutachtens eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen vierfachen Mordes und versuchten Mordes in mehreren Fällen. Er betonte aber: „Man muss sich die Lebensumstände des Angeklagten vor Augen führen.“ So habe der Mann in weiten Teilen unverschuldet in entsetzlichen Zuständen gelebt: ohne Obdach, ohne Arbeit und auch ohne soziale Kontakte. In der Gesamtschau hielte er deshalb gegen die besonders schwere Schuld.

„Das erste Gutachten hat uns nicht überzeugt“, so der vorsitzende Richter von Hagen. Die Beweisaufnahme habe eine Vielzahl von Umständen zu Tage gefördert, die zeigten, dass der Angeklagte zur Tatzeit nicht unter einer Psychose litt. Der Mann wird daher aus der Klinik entlassen und kommt in Untersuchungshaft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.