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Unglück in Schweizer Alpen Lötschentaler hoffen auf Glück im Unglück: Wasser läuft ab

Was passiert mit dem aufgestauten Wasser der Lonza nach dem gigantischen Gletscherabbruch im Lötschental? Es gibt Horrorszenarien, aber Experten hoffen nun auf einen glimpflichen Ausgang.

Von Christiane Oelrich, dpa Aktualisiert: 30.05.2025, 17:45
Der Fluss Lonza bahnt sich einen Weg durch den Schuttkegel.
Der Fluss Lonza bahnt sich einen Weg durch den Schuttkegel. Jean-Christophe Bott/KEYSTONE/dpa

Blatten - Im Schweizer Katastrophengebiet läuft das dramatisch aufgestaute Wasser des Flusses Lonza zunächst in geordneten Bahnen ab. Die schlimmsten Befürchtungen einer Flutwelle oder einer Gerölllawine, die ins Lötschental donnern und weitere Dörfer gefährden könnten, sind zunächst ausgeblieben. „Wir rechnen nicht mit etwas Gröberem“, sagte Christian Studer von der Dienststelle Naturgefahren bei einer Pressekonferenz in Ferden. Risiken bestünden aber weiter. 

„Es zeichnet sich ein erstes Gerinne ab“, sagte Studer. „Der Verlauf hat uns optimistisch gestimmt, dass das Wasser sich einen guten Weg sucht.“ Auf Drohnenaufnahmen ist auf dem gut zwei Kilometer langen Schuttkegel ein Wasserrinnsal zu sehen, und weiter unten im Flussbett der Lonza fließt ebenfalls Wasser. Das deutet darauf hin, dass Wasser auch durch den zwei Kilometer Schuttkegel sickert. 

Unmittelbare Gefahr gesunken

Fachleute, die das Katastrophengebiet auf rund 1.500 Metern Höhe im Lötschental im Kanton Wallis immer wieder überfliegen, sahen keine unmittelbaren Gefahren für die weiter unten im Tal gelegenen Ortschaften. 

Allerdings ist schwer zu beurteilen, wie der instabile Schuttkegel sich verändert. Am Talboden liegen rund neun Millionen Kubikmeter Material, sagte Studer. Ein Drittel dürfte Eis des Birschgletschers sein, sagte Studer. Er gehe aber bislang nicht davon aus, dass das Material sehr schnell schmilzt, sagte er.

Größere Gefahr sehen Experten durch weitere Abbrüche am Kleinen Nesthorn auf mehr als 3.000 Metern, das die Katastrophe ausgelöst hat. Dort sei die Lage weiter unberechenbar. Das Gelände sei sehr steil, was die Gefahr von weiteren Gerölllawinen vergrößert. Auch Niederschläge machen den Experten sorgen, so Studer. Ab Sonntag ist in dem Gebiet schlechtes Wetter vorhergesagt. 

Ganzes Dorf ausgelöscht

Am Mittwoch war nach tagelangen Felsstürzen auf rund 3000 Metern Höhe der darunterliegende Birschgletscher abgebrochen und mit gigantischen Mengen Fels und Geröll ins Tal gestürzt. Er hat das Flussbett der Lonza komplett blockiert. Das Dorf Blatten mit rund 300 Einwohnern wurde fast vollständig unter dem Schutt begraben. Die Einwohner waren schon vergangene Woche in Sicherheit gebracht worden. Ein Einheimischer, der sich am Mittwoch im Katastrophengebiet aufhielt, wird noch vermisst.

„Dass ein ganzes Dorf ausgelöscht wurde, ist unbegreiflich“, sagte die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter nach einem Hubschrauberüberflug über das Katastrophengebiet. Sie sicherte den Bewohnern weitreichende Unterstützung zu. 

Vorsichtiges Aufatmen weiter unten im Tal 

Für die Gemeinden Gampel und Steg, die an der Lonza rund 20 Kilometer unterhalb von Blatten liegen, habe sich die Lage positiv entwickelt, sagte Stéphane Ganzer, Staatsrat im Kanton Wallis. „Dennoch bleibt das Risiko, auch, wenn es sinkt.“ Die Einwohner waren in der Nacht aufgefordert worden, das Nötigste für den Fall einer nötigen Evakuierung zu packen. Diese wäre nötig, wenn sich doch noch eine Flutwelle oder Gerölllawine aus dem Katastrophengebiet das Tal hinunterwälzt. 

Zwischen Blatten und Gampel liegt Ferden, mit einem Staudamm und einem Auffangbecken. Dort wurde bereits Wasser abgelassen, und die Hoffnung ist, dass das Becken ausreicht, wenn größere Wassermassen schnell abfließen. 

Der Gemeindepräsident von Blatten, Matthias Bellwald, spricht von Schicksalstagen. „Die Geschichte von Blatten ist wie wegradiert“, sagte er. Die Erinnerungen würden aber in den Köpfen und Herzen der Einwohner getragen. Die Blattener blickten aber entschlossen in die Zukunft: „Das alte Blatten können wir nicht mehr aufstellen, aber wir wollen Blatten neu aufbauen“, sagte er. Wo, könne jetzt noch nicht gesagt werden. 

Aufräumarbeiten noch zu gefährlich

Bewohner und Behörden sind zum Abwarten verdammt. Es besteht keine Möglichkeit, den Abfluss des gestauten Wassers etwa durch das Fräsen einer Rinne in den Schuttberg zu lenken. Dafür ist das Gelände zu instabil. Menschen und Maschinen könnten einbrechen. Die Armee steht aber bereit, sobald es die Lage zulässt, mit Räumungsarbeiten zu beginnen. Womöglich seien in Kürze erste Einsätze am Rande des Katastrophengebietes möglich, meinte Studer. 

Im Stausee, der sich gebildet hat, sei viel Schwemmgut aus den überfluteten Häusern. Empfehlenswert sei dort eine Schwemmholzrückhaltestelle, damit der Abfluss nicht erneut blockiert werde.