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Kriminalität Paar soll Vierjährigen gequält und ermordet haben

Die letzten Monate des kurzen Lebens von Fabian waren von Schikanen, Schläge und Demütigungen geprägt. Jetzt stehen seine Mutter und deren Lebensgefährte vor Gericht. Warum stoppte niemand die Peiniger des Vierjährigen?

Von dpa Aktualisiert: 22.06.2023, 15:21
Die Justitia ist an einer Scheibe am Eingang zum Oberlandesgericht zu sehen.
Die Justitia ist an einer Scheibe am Eingang zum Oberlandesgericht zu sehen. Rolf Vennenbernd/dpa/Symbolbild

Hannover - Über Monate soll ein Paar aus Barsinghausen einen Vierjährigen immer wieder geschlagen, gequält, eingesperrt und schließlich getötet haben. Seit Donnerstag müssen sich die 28-jährige Mutter des Jungen und ihr 33 Jahre alter Lebensgefährte unter anderem wegen grausamen Mordes aus niedrigen Beweggründen vor dem Landgericht Hannover verantworten. Der Mutter wird Mord durch Unterlassen vorgeworfen.

Der Angeklagte habe sich von dem Vierjährigen in seiner Liebesbeziehung gestört gefühlt, sagte Oberstaatsanwältin Bianca Vieregge. Anfang Januar 2023 habe er für das „ihm verhasste Kind“ keinerlei Geduld mehr aufbringen wollen. Der Mann habe den vierjährigen Fabian in der Wohnung mit einem Fleischklopfer mit voller Wucht attackiert. Zu dem Gewaltexzess mit einer Vielzahl von Schlägen gehörte laut Anklage auch eine Vergewaltigung.

Statt die Polizei oder die Nachbarn zu rufen, habe die Mutter ihren völlig abgemagerten und schwerst verletzten Sohn ins Kinderzimmer getragen, wo er in der drauffolgenden Nacht starb. Den Rettungskräften wollte das Paar weismachen, dass der Junge die Verletzungen von einem Treppensturz davongetragen habe.

Die Polin hatte den Mann aus Niedersachsen Anfang 2022 über die soziale Plattform TikTok kennengelernt, im Mai 2022 zog sie zu ihm nach Deutschland in die Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Der stämmige Angeklagte hat die deutsche und polnische Staatsangehörigkeit, er soll auch einen Sohn aus einer früheren Ehe geschlagen haben.

Die Misshandlungen, Schikanen und Erniedrigungen, die der Mann - unterstützt von seiner neuen Partnerin - ausgeführt haben soll, sind von erschreckender Brutalität. Die Ermittler konnten sie anhand von Chats und Bildern auf den Handys des Paares rekonstruieren. Beide sind auch wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen und Freiheitsberaubung angeklagt.

Die zwei Jahre ältere Schwester des Getöteten musste wie der Junge stundenlang auf dem Boden knien und wurde wie ihr Bruder nackt und ohne Decke in eine enge, dunkle Abstellkammer gesperrt. Das Mädchen, das ab Dezember 2022 die Grundschule besuchte, wurde aber den Ermittlungen zufolge nicht so massiv misshandelt wie der Junge, der nicht in den Kindergarten gebracht wurde. Der Vierjährige erlitt unter anderem einen Bruch des Oberkiefers, der unbehandelt blieb.

Die Region Hannover hatte nach der Festnahme des Paares mitgeteilt, dass die vier und sechs Jahre alten Kinder dem Jugendamt zuvor nicht bekannt gewesen seien.

Wie die Oberstaatsanwältin am Donnerstag sagte, hatten Zeugen jedes Mal äußere Verletzungen bei dem Jungen bemerkt, wenn die Familie zu Besuch kam. Das Kind habe allein in der Ecke stehen müssen und nichts essen und trinken dürfen. Im Schrebergarten des 33-Jährigen in Ronnenberg soll dem Jungen vor Übergriffen ein Wischlappen in den Mund gestopft worden sein, damit seine Schreie nicht zu hören waren.

Die 28-jährige Mutter soll sich spätestens ab Juni 2022 an den Misshandlungen beteiligt und selbst unter anderem mit einem Gürtel das Kind geschlagen haben. Sie habe sich „wie ein Monster“ verhalten, räumte die Frau über ihren Verteidiger Matthias Waldraff ein. Dies sei ihr erst in der U-Haft bewusst geworden. Während die Angeklagte sich mit einem Taschentuch ein paar Tränen wegwischte, wirkte ihr früherer Partner emotionslos und unbeteiligt. Der 33-Jährige schwieg zunächst zu den Vorwürfen.

Es sei nicht auszuschließen, dass der Angeklagte zu erheblichen Straftaten neige und für die Allgemeinheit gefährlich sei, sagte die Oberstaatsanwältin. Damit steht eine sogenannte Sicherungsverwahrung im Raum. Der Mann würde im Falle einer Verurteilung auch nach dem Verbüßen seiner Haftstrafe im Gefängnis bleiben, um die Allgemeinheit vor ihm zu schützen.

Der Prozess wird am 6. Juli fortgesetzt. Es sind mehr als 20 Verhandlungstage angesetzt. Demnach könnte das Urteil erst im Dezember gesprochen werden.