Justiz Prozess gegen Christian B.: Zeugin spricht
Dem im Fall Maddie McCann verdächtigen Christian B. werden in einem anderen Verfahren drei Vergewaltigungen vorgeworfen. Eines der mutmaßlichen Opfer spricht vor Gericht und nennt Details.
Braunschweig - „An diesem Abend wurde ein Feuer in mir gelöscht“ - Im Vergewaltigungsprozess gegen den auch im Fall Maddie verdächtigen Christian B. hat eine wichtige Zeugin gesprochen. „Ich habe noch nie solche Angst gespürt“, sagte die Frau aus Irland am Mittwoch vor dem Landgericht Braunschweig über eine Nacht vor etwa 20 Jahren in Portugal. Der Täter sei damals über ihren Balkon ins Zimmer gekommen und habe sie geweckt. Er habe ihren Namen gekannt und gesagt: „Schrei nicht, sonst bringe ich dich um“, berichtete die 40-Jährige teils unter Tränen.
Über mehrere Stunden schilderte die Zeugin sehr detailreich ihre Erinnerungen an die Juni-Nacht im Jahr 2004. Der Mann habe sie gefesselt und mehrmals vergewaltigt. Einen Teil des Angriffs habe er mit einer mitgebrachten Videokamera gefilmt. „Du hast Angst, oder?“, soll der Täter gefragt haben. Zunächst habe sie noch verneint, später aber ihre Todesangst eingeräumt. Irgendwann habe ihr Peiniger von ihr abgelassen und sei über den Balkon verschwunden. Ihr sei es dann gelungen, sich zu befreien und Hilfe zu holen.
Auf Nachfrage der Richterin erklärte die Zeugin, dass sie den Täter an seinen Augen erkennen könne. Als sie im Juni 2020 ein ungepixeltes Foto des Angeklagten im Internet entdeckte, habe sie sich direkt übergeben müssen. Am 3. Juni 2020 hatten das Bundeskriminalamt (BKA) und die Staatsanwaltschaft Braunschweig überraschend bekannt gegeben, dass sie im Fall Maddie gegen einen mehrmals vorbestraften Sexualstraftäter wegen des Verdachts des Mordes ermitteln.
Für den Prozess gegen den 47-jährigen Deutschen gilt die Irin als wichtige Zeugin, weil sie das einzige bekannte von drei mutmaßlichen Vergewaltigungsopfern ist. Zwei weitere Taten wollen Zeugen auf Videos gesehen haben - allerdings sind diese Filme verschwunden und mögliche Opfer konnten nicht ausfindig gemacht werden. Außerdem werden dem Angeklagten zwei Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern vorgeworfen. Die Tatorte waren laut Anklage alle in Portugal.
Großes internationales Interesse weckt der Prozess aber vor allem, weil B. eben auch im Fall der 2007 aus einer portugiesischen Ferienanlage verschwundenen dreijährigen Madeleine McCann unter Mordverdacht steht. Maddie ist zwar in Braunschweig immer wieder am Rande Thema, aber offiziell nicht Gegenstand der aktuellen Verhandlung. Mit Blick auf diesen Komplex betont die Staatsanwaltschaft immer wieder, dass die Ermittlungen weitergehen.
Zu den Vorwürfen im aktuellen Verfahren schweigt der Angeklagte. Seine Verteidigung hatte aber zum Auftakt angekündigt, dass ihr Mandant aus ihrer Sicht freizusprechen sein wird. Es gilt die Unschuldsvermutung. Derzeit sitzt B. eine siebenjährige Haftstrafe wegen einer anderen Vergewaltigung - ebenfalls in Portugal - ab, zu der er 2019 vom Landgericht Braunschweig verurteilt wurde.
Wegen der Bedeutung der Aussage der Irin reisten wieder deutlich mehr Journalisten nach Niedersachsen als zuletzt. Mit Blick auf ihre Erzählung ging es schon vorab in Medienberichten immer wieder auch um die Frage, ob sie den Täter möglicherweise an einem besonderen Merkmal wie einer Narbe oder einem Muttermal wiedererkennt. Nach einer Täterbeschreibung gefragt, berichtete sie vor Gericht von einem „dunklen Fleck“ auf dem Bein des Mannes, der durch die enge Hose sichtbar gewesen sei.
Mit Zustimmung des Angeklagten war im Sommer 2022 eine erkennungsdienstliche Maßnahme bei ihm durchgeführt worden, bei der entsprechende Fotos gemacht wurden. Die Bilder und gewonnenen Infos sollten nach damaligen Angaben der Staatsanwaltschaft unter anderem mit Täterbeschreibungen durch Zeugen abgeglichen werden. Zu möglichen Ergebnissen ist bisher aber nichts bekannt geworden.
In ihrer Aussage vor Gericht sparte die Zeugin auch sehr intime Details nicht aus. Abschließend sagte die dreifache Mutter über den Vorfall: „Das war ein Moment, in dem ich komplett ausgeschaltet habe. Mein ganzer Fokus lag darauf, wie ich da rauskomme.“ Für das, was direkt nach der Tat und in den Folgetagen geschah, kritisierte sie die portugiesische Polizei scharf. Ihr sei keine Hilfe angeboten worden und sie sei nur auf männliche Polizisten getroffen. Obwohl sie es nicht gewollt habe, sei sie zurück in ihr Appartement geschickt worden, wo auch Fotos von ihr gemacht worden seien. „Man hat mir gesagt, das Beste, was ich machen kann, ist nach Hause zu gehen“, sagte die Irin. Ihre Vernehmung wird fortgesetzt.