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Rückblick2015: Walbrzych und der Traum vom Goldzug

Schätze und Geheimnisse in den Tunneln der niederschlesischen Bergbauregion - ist das der Stoff, aus dem Märchen fabriziert werden, oder warten goldene Zeiten auf die Stadt Walbrzych? Nicht nur in Polen heizt der Goldzug die Gerüchteküche an.

Von Eva Krafczyk, dpa 30.12.2015, 10:19

Walbrzych (dpa) - Der Zug rollt nicht, er steht angeblich in einem Tunnel auf dem Gebiet des niederschlesischen Walbrzychs. Seit Monaten bewegt der so genannte Goldzug die Gemüter weit über die Region hinaus und heizt Spekulationen über versteckte Nazischätze an.

Zwei Hobby-Schatzgräber hatten im August die Behörden verständigt. Piotr Koper und sein deutscher Kollege Andreas Richter wollen einen deutschen Panzerzug aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt haben. Die Angelegenheit hält Krisenstäbe in Walbrzych, Breslau (Wroclaw) und Warschau auf Trab, das Militär rückte an, die Polizei muss Möchtegern-Goldgräber von eigenen Grabungen abhalten.

Nur hat den Zug bisher niemand gesehen. Der Oberste Denkmalschützer Polens sprach anfangs von einer Sensation und 99-prozentiger Gewissheit - dann kamen Zweifel auf, ob die präsentierten Radaraufnahmen überhaupt echt waren. Ein Geologen-Team aus Krakau nahm den Schatzsuchern ein wenig den Wind aus den Segeln.

Nach umfangreichen Untersuchungen mit seinem Team sagte Professor Janusz Madej Mitte Dezember: Nach unseren Erkenntnissen gibt es vielleicht einen Tunnel in dem Gebiet, aber keinen Zug. Doch Koper und Richter wiesen die Ergebnisse zurück. Die Hobbyforscher präsentierten ihrerseits neue, mysteriöse Bodenaufnahmen.

Für Walbrzych ist die anhaltende Aufregung um den Zug so oder so ein Glücksfall. Die Stadt, deren historischer Stadtkern von der Architektur der deutschen Vergangenheit geprägt ist, die in scharfem Kontrast zu den Plattenbauten der Vororte stehen, kann die Aufmerksamkeit gut gebrauchen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei mehr als 20 Prozent. In der Innenstadt gibt es mehr Altkleiderläden als Geschäfte, die Neuware an den Kunden bringen.

Die Marketing-Experten von Schloss Fürstenstein, das auch ein Hotel beherbergt, bieten schon jetzt Gold-Wochenenden an - mit Besichtigung der unterirdischen Stollenanlagen, die angeblich eine Verbindung bis hin zu dem unterirdischen Baukomplex Riese im nahen Walim hatten.

Auch für das Bergbaumuseum Stara Kopalnia, erst im vergangenen Jahr auf dem Gelände der einstigen Zeche Julia eröffnet, kommt der Goldzug-Boom wie gerufen. Im Museumsshop sind T-Shirts mit dem Aufdruck eines goldglänzenden Zuges prominent platziert. Schoko-Goldbarren warten auf Käufer.

Die Verkäuferin ist trotzdem nicht ganz zufrieden. Seit zwei Wochen warten wir nun schon auf die neue Lieferung der Goldzug-Kaffeebecher, klagt sie. Die Nachfrage ist so groß, wir kommen einfach nicht hinterher.

Seit den ersten Berichten über den Fund Mitte August lebten auch die alten Legenden über das Nazigold auf, das in den letzten Kriegsmonaten versteckt wurde. Drei Züge sind auf dem Weg nach Walbrzych verschwunden und nie gefunden worden, sagt Jacek Cichura, der Starosta (Bezirkschef) des Landkreises Walbrzych. Seiner Behörde wurde der Fund als erstes gemeldet. Meine Kollegen aus anderen Bezirken nennen mich bereits den goldenen Starosten, scherzt er.

Legenden haben immer auch einen wahren Kern. Und das ist keine Legende, versichert Schatzsucher Piotr Koper. Bisher hat er sein privates Geld in die Suche gesteckt, betont der Bauunternehmer. Ich riskiere doch nicht meine Firma und meinen guten Ruf für eine wirre Idee.

Um die Kosten für die Ausgrabung des Zuges, die Koper auf etwa zwei Millionen Zloty (rund 500 000 Euro) schätzt, muss sich die in wirtschaftlichen Nöten steckende Stadt wohl keine Sorgen machen. Es gibt eine Reihe von Angeboten, verrät Cichura. Sponsoren wollen das übernehmen. Unter anderem gibt es die Anfrage eines Fernsehsenders, der die exklusiven Rechte haben will.

Was sich tatsächlich an Kilometerpunkt 65 im Erdreich befindet, dürfte wohl erst im kommenden Jahr endgültig geklärt werden - Schatzsuche im Winter, bei Bodenfrost und womöglich Schnee, das macht wenig Sinn. Die Geschichten vom Nazigold kursieren in Niederschlesien schließlich schon seit 70 Jahren. Da darf das Rätselraten auch noch ein bisschen länger dauern.

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