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Kunst Teilfreilegung von Richter-Wandgemälde an Museumswand

Für Gerhard Richter beginnt das eigene Werk erst in der alten BRD. Dabei hat er schon als Student der Klasse für Wandmalerei an der Dresdner Kunsthochschule ein großes Auftragsbild geschaffen.

Von Simona Block, dpa 01.02.2024, 12:15

Dresden - Nach über 40 Jahren kommt ein verborgenes Frühwerk von Gerhard Richter wieder ans Licht. Bis Oktober wird ein Teil seines rund 63 Quadratmeter großen Wandgemäldes „Lebensfreude“ im Deutschen Hygiene Museum Dresden (DHMD) in einer öffentlichen Schaurestaurierung während der Ausstellung „VEB Museum“ (9. März bis 17. November) freigelegt - mit Zustimmung des Künstlers.

„Es ist ein absoluter Glücksfall, dass wir den Rundgang mit dieser starken Metapher der Freilegung von Geschichte beginnen können“, sagte DHMD-Direktorin Iris Edenheiser, am Donnerstag bei der Präsentation. „Aber auch für das Haus und für Dresden ist es ein wirklicher Gewinn.“

Die Bemalung der 15 Meter langen und fünf Meter hohen Wand erhielt der damals 24-jährige Gerhard Richter Ende 1955 als Aufgabe zum Abschluss seines Studiums an der Hochschule für bildende Künste seiner Geburtsstadt. Das 1956 geschaffene Bild mit verschiedenen Figurengruppen in Alltags- und Freizeitszenen war seine Diplomarbeit. Eine Frau im weißen Badeanzug und eine weitere im hellen Sommerkleid lassen ahnen, was im Treppenhausfoyer unter zehn Farbschichten verborgen ist.

Freilegung nach akribischen Untersuchungen

Schicht für Schicht, Zentimeter für Zentimeter mit größter Vorsicht tragen Diplomrestaurator Albrecht Körber und eine Kollegin diese Schichten ab. Die richtige Methode musste erst gefunden werden, um Schäden an der „sehr dünnen“ Malerei zu vermeiden. Die Konservierungs- und Restaurierungsexperten der Hochschule für Bildende Künste untersuchen zudem Maltechnik und analysieren Materialien.

Ein Schaufenster in der bis zur Decke reichenden Einhausung samt Abluftanlage erlaubt es, dabei zuzuschauen. Bis Oktober soll insgesamt etwa ein Siebtel der Gesamtfläche sichtbar werden. „Was genau hängt vom Erhaltungszustand ab“, sagt der Leiter des Gerhard Richter Archivs, Dietmar Elger. Er war Assistent und ist Biograf des Malers. Der hat die Auswahl der „zentralen Stellen“ bestätigt: das Liebespaar, die Badende mit Handtuch um die Schultern und eine picknickende Gruppe.

Stiftung hilft bei Wiederentdeckung verborgener Kunst aus DDR

Das Projekt wird von der Wüstenrot Stiftung und der Ernst von Siemens Kulturstiftung finanziert. Die Gesamtkosten liegen bei 220.000 Euro. Um sich konkret mit Kunst auseinanderzusetzen, „muss sie physisch da sein, also sichtbar und möglichst öffentlich“, sagte Wüstenrot-Stiftungs-Geschäftsführer Philip Kurz. Das gelte auch für in der DDR Entstandenes.

Vieles davon sei immer noch verschämt weggeräumt, überstrichen oder in Kisten auf Bauhöfen eingelagert. Die Stiftung kümmere sich seit Jahren darum, sie praktisch „zurückzuholen“ - nun auch ein ganz besonderes Werk.

Richter studierte ab 1951 in Dresden in der neu gegründeten Klasse für Wandmalerei. 1961 reiste er in die damalige BRD aus und 18 Jahre später wurde „Lebensfreude“ überstrichen. Das erstmalige Ansinnen, es wieder freizulegen, lehnte der inzwischen berühmte Schöpfer 1994 ab.

„Diesmal hat er zugestimmt“, sagte Elger. Das habe sicher mit dem Kontext zu tun, „aber es ist auch eine andere Zeit“. Richter, der am 9. Februar 92 Jahre alt wird, sei gelassener. Er rechnet sein Frühwerk nicht zum eigentlichen Werk, das 1962 beginnt. „Es hat nicht den kunsthistorischen Stellenwert“, erklärt Archivleiter Elger. In den 1990er-Jahren sei es für viele schwierig gewesen, das zu trennen.

Museumschefin schrieb Richter einen Brief

Ein Brief von DHMD-Chefin Edenheiser, in dem sie das in eine Ausstellung eingebundene Vorhaben beschrieb, hat überzeugt. Er mailte zurück, dass er es „für gut befindet“, berichtete sie. „Eine Teilfreilegung - und keine Öffnung des gesamten Bildes - ist für uns essenziell, um historische Schichtungen zu zeigen, insbesondere auch die Übermalung 1979 und den späteren Umgang mit diesem Werk.“

Das ist laut Elger gut dokumentiert und auch häufig reproduziert. „Aber wir haben keinen Eindruck, wie es farblich ist, das ist das Spannende.“