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21-Jährige hatte keine Chance Tödlicher Crash mit Streifenwagen - Polizist angeklagt

Der wuchtige Aufprall des Polizeiautos trifft die junge Frau völlig unvorbereitet, sie stirbt. Ihre Eltern leiden bis heute unter dem furchtbaren Verlust. Warum dauerten die Ermittlungen gegen einen Hauptkommissar in Berlin fast zwei Jahre?

Von Jutta Schütz, dpa 16.01.2020, 15:29

Berlin (dpa) - Als der viel zu schnelle Funkstreifenwagen in das weiße Auto der jungen Frau kracht, hat sie keine Chance. Die 21-Jährige stirbt noch am Unfallort in der Nähe des Alexanderplatzes in Berlin.

Eine abgerissene, zertrümmerte Autotür und weitere herumliegende Fahrzeugteile zeugen von der Wucht des Aufpralls. Knapp zwei Jahre später hat nun die Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt einen Polizisten angeklagt, der den Streifenwagen mit Blaulicht gefahren haben soll - und das auch noch alkoholisiert. Dem 52-Jährigen werden fahrlässige Tötung und Gefährdung des Straßenverkehrs durch Alkohol am Steuer vorgeworfen, wie die Anklagebehörde am Donnerstag mitteilte.

Die 21-Jährige war demnach am 29. Januar 2018 gerade beim Einparken, als ihr Auto von dem Polizeiwagen gerammt wurde. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, dass der Beamte im höheren Dienst unter Alkoholeinfluss zunächst innerorts mit Tempo 130 unterwegs gewesen sei. Hinter einer Tunnelausfahrt soll er das Fahrzeug der jungen Frau zu spät bemerkt und dann getroffen haben. Bei der Kollision sei immer noch eine Geschwindigkeit von 93 Stundenkilometern festgestellt worden.

Der Fall hatte öffentlich große Wellen geschlagen. Erst Monate nach Beginn der Ermittlungen wurde bekannt, dass eine im Krankenhaus genommene Blutprobe des Fahrers Alkohol enthielt. So wurde der Verdacht laut, dies habe vertuscht werden sollen. Die Polizei hatte direkt nach dem Unfall keinen Alkoholtest gemacht. Im Herbst 2018 wurden die Ermittlungen dann erweitert; zunächst war nur wegen fahrlässiger Tötung ermittelt worden.

Auch der Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses beschäftigte sich mit dem Fall, nachdem Parlamentarier mehr Aufklärung und Transparenz gefordert hatten. Der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux betonte, es dürfe nicht der Anschein erweckt werden, gegen Polizisten als Tatverdächtige werde nachlässig ermittelt und erst nach anonymen Hinweisen würden Schritte eingeleitet. Staatsanwaltschaft und Polizei wiesen Vorwürfe zurück, nicht intensiv genug ermittelt zu haben.

Laut Polizei kann bei Unfällen mit Beamten die Fahrtauglichkeit nur bei einem konkreten Verdacht überprüft werden. Polizeipräsidentin Barbara Slowik empfahl inzwischen allen Beamten, bei schweren Unfällen freiwillig einen Atemalkoholtest zu machen, "um jedem Verdacht vorzubeugen".

Der beschuldigte Polizist darf seit Monaten nicht zum Dienst kommen. Der Hauptkommissar - nach eigenen Angaben seit mehr als 30 Jahren bei der Polizei - war im Juli 2019 wegen illegalen Besitzes von zwei Schlagringen zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 85 Euro verurteilt worden. In dem Prozess gab er an, in psychiatrischer Behandlung zu sein. Sein Anwalt hatte für seinen Mandanten angekündigt, dieser wolle sich seiner Verantwortung stellen - und bezog dies ausdrücklich auch auf den Unfall.

Indes können sich die Eltern nicht mit dem Verlust ihrer geliebten Tochter abfinden. Sie fühlten sich laut Medienberichten allein gelassen. Auch die langen Ermittlungen hätten sie belastet. Der Vater der Getöteten hatte am Rande des Prozesses im vergangenen Sommer gesagt, ihm sei das Liebste genommen worden. "Hass, nur Hass" empfinde er. Es könne nichts wieder gutgemacht werden. Immer wieder fährt der Vater zu der Unfallstelle.

Trunkenheit am Steuer ist laut Strafgesetzbuch ein anderes Delikt als Gefährdung des Straßenverkehrs durch Alkohol am Steuer. Bei Trunkenheit geht es nur um das Führen eines Fahrzeugs unter Alkohol. Dieses Delikt ist hier laut Staatsanwaltschaft nicht angeklagt. Gefährdung des Straßenverkehrs durch Alkohol wirkt schwerer, weil es um die Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen geht. Bevor es nun zu einem Prozess kommt, muss die Anklage vom Landgericht noch zugelassen werden.

Twitter-Mitteilung der Staatsanwaltschaft

Strafgesetzbuch, Paragraph 315c - Gefährdung des Straßenverkehrs