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Judenfeindlichkeit Zahl antisemitischer Vorfälle in Thüringen auf Höchststand

Die Hälfte der von einer Recherchestelle dokumentierten Ereignisse bezieht sich auf Israel. Besonders alarmierend sei die Zunahme an Vorfällen im Linken- und Hochschulmilieu, heißt im Jahresbericht.

Von dpa 19.08.2025, 14:25
Thüringen hat 2024 die höchste Zahl antisemitischer Vorfälle aller ostdeutschen Bundesländer ohne Berlin verzeichnet. (Symbolbild)
Thüringen hat 2024 die höchste Zahl antisemitischer Vorfälle aller ostdeutschen Bundesländer ohne Berlin verzeichnet. (Symbolbild) Hannes P Albert/dpa

Erfurt - Die Anzahl antisemitischer Vorfälle in Thüringen ist auf einem Allzeithoch. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) hat im vergangenen Jahr 392 Fälle gezählt. 2023 waren es 297. Das entspricht einem Anstieg um 31 Prozent. „Der Antisemitismus - und das erleben wir alle - ist auf den Straßen und noch viel alarmierender auch im Internet zu sehen, zu hören und bedroht jüdische Menschen ganz direkt“, sagte Thüringens Antisemitismusbeauftragter Michael Panse (CDU) bei der Vorstellung des Rias-Jahresberichts am Dienstag in Erfurt. 

Expertin: Antisemitismus in Thüringen „omnipräsent“

Thüringen verzeichne zum wiederholten Male die höchste Zahl antisemitischer Vorfälle aller ostdeutschen Bundesländer ohne Berlin. Darin enthalten sind 54 Fälle schwerer Sachbeschädigung sowie sieben Fälle von Bedrohung und zwei Angriffe. „Antisemitismus war und ist kein Randphänomen. Er war 2024 in Thüringen omnipräsent. Er trat in allen gesellschaftlichen Gruppierungen und politischen Spektren auf“, sagte die Leiterin von Rias in Thüringen, Susanne Zielinski.

Bereits 2023 hatte die Meldestelle eine deutliche Zunahme an israelbezogenem Antisemitismus registriert. Dieser Trend hat sich fortgesetzt: Im aktuellen Berichtszeitraum 2024 macht der israelbezogene Antisemitismus die Hälfte aller dokumentierten Fälle aus. Mit 197 solcher Vorfälle hat sich die Zahl im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt (2023: 103). 

Der Krieg in Nahost wirke in diesem Zusammenhang „wie ein Brandbeschleuniger“, heißt es dazu im Bericht. Unter israelbezogenem Antisemitismus versteht Rias Aussagen, die sich gegen den jüdischen Staat Israel richten, etwa indem diesem die Legitimität abgesprochen wird. 

Jeder achte Vorfall an Hochschulen

„Extrem alarmierend“ sei dabei vor allem die Zunahme antisemitischer Vorfälle im Linken- und Hochschulmilieu, besonders im Zusammenhang mit studentischen Hochschulgruppen, aber vereinzelt auch durch Mitarbeiter von Hochschulen. Jeder achte Vorfall habe sich in diesem Bereich ereignet, so Zielinski. Die Debatte über den Nahost-Krieg habe „Gelegenheitsstrukturen“ für antisemitische Äußerungen geschaffen, die eben nicht mit berechtigter Kritik am Vorgehen Israels verwechselt werden dürften, sagte Zielinski der Deutschen Presse-Agentur. 

Die Leiterin der Meldestelle plädiert für „massive Interventionen durch Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen“. Panse sagte, der Bericht sei eine Aufforderung an Politik und Gesellschaft zu einem „entschlossenen Kampf“ gegen Antisemitismus. Konkret regte der Beauftragte Bildungsprogramme an Schulen und Universitäten, im Erwachsenen- und Jugendbildungsbereich sowie in Behörden an.

Die Meldestelle Rias erfasst und dokumentiert antisemitische Vorfälle und nimmt dabei nicht nur Vorfälle auf, die strafbar sind, sondern auch solche unterhalb dieser Schwelle. Träger der Dokumentationsstelle ist die Amadeu Antonio Stiftung, gefördert wird sie von der Staatskanzlei.