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Proteste gegen Lukaschenko Opposition in Belarus ruft Armee zum Seitenwechsel auf

Immer wieder gehen Sicherheitskräfte in Belarus brutal gegen friedliche Demonstranten vor. Die Opposition appelliert an die Soldaten, sich nicht in einen Krieg gegen das eigene Volk hineinziehen zu lassen.

06.11.2020, 09:35
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Uncredited AP

Minsk/Wien (dpa) - Nach massiver Gewalt gegen Demonstranten in Belarus (Weißrussland) hat die Opposition das Militär zur Abkehr von Machthaber Alexander Lukaschenko aufgerufen.

"Man will Sie in einen Krieg gegen Ihr eigenes Volk hineinziehen", schrieben die Bürgerrechtlerin Swetalana Tichanowskaja und der frühere Kulturminister Pawel Latuschko an die Soldaten. "Lukaschenko hat keine Ressourcen mehr, um sich an der Macht zu halten." Die Streitkräfte sollten vielmehr dem Volk gegenüber loyal sein. Sie sollten nicht "den kriminellen Befehlen" Folge leisten, heißt es in dem im Nachrichtenkanal Telegram verbreiteten Aufruf.

In Belarus kommt es seit der umstrittenen Präsidentenwahl am 9. August regelmäßig zu Protesten gegen Lukaschenko. Der 66-Jährige hatte sich mit 80,1 Prozent der Stimmen nach 26 Jahren an der Macht erneut zum Sieger erklären lassen. Die Opposition sieht dagegen Tichanowskaja als wahre Gewinnerin an. Die Sicherheitskräfte gehen immer wieder brutal gegen friedliche Demonstranten vor. Allein am vergangenen Sonntag gab es rund 300 Festnahmen.

Kritik an dem Vorgehen der Behörden kam einmal mehr von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. "Indem die belarussischen Behörden Hunderte Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer friedlichen Demonstration offiziell als "Kriminelle" bezeichnen, zeigen sie ihre tiefe Missachtung der Menschenrechte und grundlegender Freiheiten", teilte Amnesty mit.

Unterdessen sprach die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) nach einer Untersuchung von massiven Fälschungen der Wahl. "Insgesamt gibt es überwältigende Beweise dafür, dass die Präsidentschaftswahlen vom 9. August 2020 gefälscht wurden", heißt es in dem Bericht. Die Vorwürfe im Zusammenhang mit schweren Menschenrechtsverletzungen seien "als massiv und systematisch befunden und zweifelsfrei bewiesen" worden, sagte der Jurist Wolfgang Benedek, der Aussagen von Bürgern und Organisationen untersuchte.

Das US-Außenministerium forderte die Behörden in Minsk erneut auf, ihr Vorgehen gegen Demonstranten zu stoppen und den Forderungen des Volkes nach freien und fairen Wahlen unter unabhängiger Beobachtung Beachtung zu schenken, hieß es in einer Mitteilung.

Tichanowskaja traf indes am Donnerstag in Wien den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz. Dabei sei über Wege zur friedlichen Lösung der politischen und wirtschaftlichen Krise gesprochen worden, teilte die 38-Jährige bei Telegram mit. Zugleich habe sie Kurz gedankt, dass er - wie auch andere EU-Staats- und Regierungschefs - Lukaschenko nicht mehr als Präsidenten anerkenne.

An Donnerstag endete offiziell die reguläre Amtszeit des Machthabers, der von Gegnern als "letzter Diktator Europas" bezeichnet wird. Lukaschenko hatte sich bereits Mitte September ohne Vorankündigung für eine sechste Amtszeit vereidigen lassen.

© dpa-infocom, dpa:201106-99-231669/3