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Nicht nur in Sachsen Stiftung beklagt wachsende Aggression gegen Zuwanderer

Die jüngsten Vorfälle von Chemnitz seien Ausfluss einer bedenklichen gesellschaftlichen Entwicklung, meint ein Experte. Gerade Sachsen habe in der Vergangenheit Fehler gemacht.

28.08.2018, 07:25

Berlin/Chemnitz (dpa) - Angesichts der jüngsten Ausschreitungen in Chemnitz hat die Amadeu Antonio Stiftung zunehmende Aggression und Gewaltbereitschaft gegen Zuwanderer beklagt. "Der Rassismus bricht sich unverhohlen Bahn", sagte der Experte für Rechtsextremismus der Stiftung, Robert Lüdecke, der dpa.

"Die Gesellschaft ist stark polarisiert, Menschen äußern immer unverhohlener, welche Menschen sie in Deutschland haben möchten und welche nicht." In den sozialen Netzwerken werde ungehemmt gehetzt und viele, die sich dort entsprechend äußerten, wähnten sich "einer gefühlten Mehrheit" zugehörig, meinte Lüdecke.

Am Sonntag war bei einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Angehörigen verschiedener Nationalitäten in Chemnitz ein 35-jähriger Deutscher tödlich verletzt worden. Gegen die mutmaßlichen Täter, einen Syrer und einen Iraker, wurden am Montag Haftbefehle erlassen. Nach der Tat marschierten Anhänger rechter Gruppierungen zu spontanen Demonstrationen auf. Auf Videos ist zu sehen, wie Ausländer aus der Masse heraus attackiert werden. Am Montagabend gab es in Chemnitz erneut Proteste, zu denen Tausende rechte und linke Demonstranten kamen. Die Polizei konnte nur mit Mühe eine Eskalation und ein Aufeinandertreffen beider Lager verhindern.

"In dieser Dimension, wie wir es gerade in Chemnitz erleben, ist es natürlich schon eine Ausnahmesituation", stellte Lüdecke fest. Allerdings hätten zuletzt schon mehrfach Menschen als wütender Mob die Auseinandersetzung mit der Polizei gesucht oder Flüchtlinge oder deren Unterkünfte angegriffen. Jenseits davon gebe es eine "grassierende alltägliche Hetze und Gewalt vor allem gegen Geflüchtete."

Aus Sicht des Experten ist es nicht verwunderlich, dass dabei immer wieder Orte in Sachsen eine Rolle spielen. "Sachsen hat ein Problem mit einer jahrelangen Verharmlosung von Rechtsextremismus und Rassismus", erklärte Lüdecke. "Das Problem wurde jahrelang nicht ernst genommen und kleingeredet, vor allem von den politisch Verantwortlichen, aber leider auch von den Sicherheitsbehörden. Und das rächt sich nun." Zudem gebe es immer wieder Vorfälle, "wo sich die Polizei eher auf die Seite derjenigen stellt, die Flüchtlinge angreifen", und die rechte Szene gewähren lasse.

Gerade die rechtsextreme Szene ist Lüdecke zufolge sehr gut vernetzt. "Sie haben inzwischen leider auch jahrelange Erfahrungen, wie sie schnell mobilisieren können." Soziale Netzwerke spielten dabei eine entscheidende Rolle, "um auch über den eigenen Dunstkreis hinaus Mitstreiter für Demonstrationen und andere Aktionen zu finden". In Chemnitz gebe es eine organisierte rechtsextreme Szene und "das klassische Pegida-Mitläufertum", unterstützt durch die Hooligan-Szene. "Wir haben auch vereinzelt lokale AfD-Kommunalpolitiker oder Abgeordnete, die in diese rassistische Stimmungsmache mit einsteigen."