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Möbel Plüsch und Purismus in einem Raum

Die Internationale Möbelmesse IMM Cologne in Köln ist gestartet. Was sind die großen Trends?

16.01.2017, 23:01

Köln (dpa) l Geht es nach Ursula Geismann, wird es kein Entweder-Oder geben. Es werden 2017 „Plüsch und Purismus“ zusammen im neu eingerichteten Wohnzimmer stehen. Seite an Seite der nüchterne Stahlrohrstuhl mit glatter Schale und das Barocksofa mit weichen Rundungen und flauschigen Stoffen – und das unter dem goldenen Lüster. Geismann, die Trendexpertin der deutschen Einrichtungsbranche, hat sich auf der Internationalen Möbelmesse IMM Cologne in Köln die Neuheiten angesehen und erwartet als großen neuen Trend eine Fusion von gemütlichem Kitsch und der Nüchternheit des Bauhauses. Doch warum ist das jetzt im Trend? Dazu muss man drei Fragen stellen.

Erstens, warum ist ausgerechnet Plüschiges und Schnörkeliges im Trend, das aus den Sissi-Filmen bekannte Mobiliar, das leicht sogar an die Grenzen zum Kitschigen stößt? Selbst wenn der samtige Bezugsstoff heute wilde moderne Muster trägt. Die Antwort: Weil wir die Formsprache als angenehm empfinden, wie Geismann erklärt. Sie ist Sprecherin des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie in Bad Honnef bei Bonn. „Weil wir damit Wärme und Gemütlichkeit assoziieren.“ Und danach sehnten sich die Menschen derzeit stark.

Denn Trends basieren schließlich darauf, was die Menschen gerade tief in ihrem Inneren anspricht. Die Industrie greift das auf und bietet das zur Stimmung der Gesellschaft passende Produkt an. Derzeit sei das unter anderem die Sehnsucht nach Sicherheit und der Rückzug ins Zuhause, so Geismann.

Und doch verraten Branchenexperten, dass viele Hersteller im Jahr 2017 auch auf einen sehr nüchternen, reduzierten Wohnstil setzen werden, etwa im Stil des Bauhauses – das Gegenteil von Plüsch. Also stellt sich hier die zweite Frage: Warum ist denn derzeit der Purismus so gefragt? Die Antwort: Weil er auch dem Zeitgeist entspricht und ein weiteres Bedürfnis der Menschen erfüllt.

Seit einigen Saisons schon beziehen Designer viele ihrer Ideen aus der Vergangenheit, lassen alte Formen wieder aufleben. Manches Unternehmen legt sogar Originalentwürfe, die seit Jahrzehnten nicht mehr hergestellt werden, wieder auf – mit Erfolg. Zugleich steigt die Nachfrage nach den großen Klassikern der Möbelbranche. „Im vergangenen Jahr waren Möbel im Mid-Century-Design beliebt“, sagt Geismann. Das umfasst Produkte aus der Zeit von 1940 bis 1960. Als Folge des Verkaufserfolgs bedienen sich die Firmen nun an der Produktpalette weiterer Jahrzehnte – den 1920er und 1930er Jahren, und darin vornehmlich dem Bauhausstil.

„Es geht zurück in die Zeit vor dem Internet“, erklärt die Trendanalystin die Rückwärtsrolle der Branche, die schon seit einigen Jahren anhält. Zwar ist der Sprung ab Beginn der Massenverbreitung des Internets um 1996 bis in eine Stilwelt komplett ohne Digitalisierung um die 1920er Jahre ziemlich groß, doch man muss es symbolisch verstehen: Es geht zu Hause optisch in eine Welt ohne die moderne Hektik und die Schnelligkeit der neuen Medien. Denn das Zuhause soll eine Umgebung sein, die uns davon verschont – wenn mal der Punkt erreicht ist, an dem wir das Handy abschalten wollen. Möbel im Stil vergangener Jahrzehnte machen das Haus und die Wohnung dann zumindest gefühlt zu einer Zeitkapsel mit dicker Stahltür, in die man sich bei Bedarf zurückziehen kann.

Und Markus Majerus, Sprecher der Möbelmesse IMM, ergänzt: „Solche Möbel sind begehrt in Zeiten, in denen es uns allen wieder mehr um Werte und bewussten Konsum geht.“ Statt auf billigere und eher vergängliche Massenware setzen jene, die es sich leisten können, auf Manufaktur und Qualität.

Diese beiden gegensätzlichen Einrichtungsstile könnten nun sogar gemeinsam im gleichen Raum unterkommen, prognostiziert Geismann. Hier lässt sich die dritte Frage stellen: Warum beides – Plüsch und Purismus nebeneinander? Die Antwort: Weil man kann. Weil man auf eines der beiden nicht verzichten will. Weil einem beide Stile aus der Seele sprechen. Aber es gilt auch: Wer eben nicht darauf steht, wählt dann doch nur eine Richtung aus, oder er lässt beides ganz weg.

Dieses „Weil man kann“ – das ist eigentlich gerade die Antwort auf jede Trendsuche. Denn der im Moment über allem schwebende Mega-Trend der Möbelbranche ist die Individualisierung. Alles ist möglich. Und jeder macht in seiner Wohnung sowieso, was er eben will. „Wir können daher auch nicht mehr von dem einen großen Trend für das Jahr sprechen“, sagt Geismann. Das hört auch nicht bei Plüsch und oder Purismus auf.

An einem Möbelstück kommt der Besucher der IMM dann aber doch nicht vorbei: dem Esstisch. Kaum ein Hersteller von Tischen kommt ohne Tafel im Programm aus, und die Palette wird ergänzt. Das Besondere: Die mächtigen Riesen sind so flexibel, dass sie sich Wohnsituationen anpassen. Warum so mancher Designer sich gerade derzeit diesem Möbelstück annimmt, erklärt Jorre van Ast, dessen neuer Eichen-Tisch namens Trestle Table von Arco präsentiert wird.

„Die Art, wie wir leben, und damit auch die Orte, an denen wir leben, verändern sich“, erklärt der Designer. „Traditionell haben die meisten Häuser eine Küche mit einem kleinen Küchentisch, ein Esszimmer mit einem Esstisch und ein Wohnzimmer oft mit einem Sofa und einem Couchtisch.“ Aber nun öffnen sich die Grundrisse – die Wohnräume haben weniger Wände. Gerade Küche und Esszimmer verschmelzen nahtlos miteinander, erklärt van Ast. „Im Mittelpunkt steht hier ein Gemeinschaftstisch in zentraler Lage.“ Der lange Esstisch bietet auch eine weitere Option: Statt ins Restaurant zu gehen, holt man sich Freunde und Gäste ins Haus.