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Sightseeing-Tipps Fünf wirklich außergewöhnliche Erlebnistouren

Viele touristische Führungen sehen so aus: Der Guide läuft vor und haut Jahreszahlen und Namen im Minutentakt raus. Der Lerneffekt: mager. Der Unterhaltungswert: null. Doch es geht auch anders.

Von Karin Willen, dpa 28.01.2021, 03:42
Ingo Wagner
Ingo Wagner dpa

Amrum (dpa/tmn) - Fast jede Touristin und jeder Tourist kennt sie: Stadtführer, die im Gedränge mit dem hochgehaltenen Fähnchen von einem zum anderen Fototermin hetzen und mehr oder weniger lustige Geschichten abspulen.

Doch welche Guides erzählen kenntnisreich und anschaulich, ohne ihre Gäste dabei zu überfordern oder zu unterfordern? Fünf Beispiele von der Nordsee bis Sardinien.

Amrum: Der naturverliebte Wattführer

Dark Blome freut sich schon auf den Sommer. "Ich bin gelernter Bäcker, kein Astronom und kein Physiker, aber ich kann meine Gäste trotzdem für das Universum begeistern", sagt er. Für seine neue Sternenführung auf der nordfriesischen Insel Amrum hat er viele Bücher studiert und bei Experten Erfahrungen gesammelt.

Von Juni an führt er seine Gäste mit dem Fahrrad von Norddorf zur Sternwarte. Dort zeichnet der Insulaner die nächtlichen Sternbilder mit dem Laserpointer nach und erzählt Geschichten von griechischen Göttern, nennt aber auch ein paar Zahlen und Fakten. Anschließend kann man sich auf Isomatten in den Himmel über der Nordsee träumen.

Seit 23 Jahren führt der staatlich geprüfte Wattführer bei Ebbe durchs Meer zwischen Amrum und Föhr. Mit Kompass, Seekarte, GPS, Handy, Seil und Erste-Hilfe-Set. Auch im Winter, wenn nicht gerade Corona herrscht. Dann geht es bei Westwind mit mehr als Stärke fünf durch den Priel. Im Notfall wird die Gruppe zur Seilschaft, und Blome trägt die kleinste oder schwächste Person auf dem Arm. Ist der Priel durchwatet, geht es weiter mit Infos über Seehunde, Wattwürmer, Sturmfluten, alte Schiffswracks und Dönekes vom Inselleben.

Künstlerdorf Worpswede: Der alteingesessene Gruselgeschichtenerzähler

Wer schaudernd übers Moor gehen will, muss von Worpswede 20 Minuten mit dem Auto fahren. Doch die Gruselstimmung gibt es auch direkt am Fuße des Weyerbergs, auf dem eine 1889 gegründete Künstlerkolonie mitten im weitgehend trockengelegten Teufelsmoor liegt.

Dort streift Carsten Platz im Outfit eines Torfkahnschiffers durch den nächtlichen Birkenwald und erzählt im düsteren Schein der Petroleumlampe von örtlichen Sagen, Mythen und Legenden. Die Kluft ist ihm zur zweiten Haut geworden, seit er Besuchern im Sommer auf dem kleinen Fluss das beschwerliche Leben als Kahnschiffer nahebringt. Das Erzähltalent hat der gelernte Tischler wohl von einem seiner Urgroßväter, der ihn früh mit Geschichten über Moorleichen, Irrlichter und die verlorenen Seelen aus dem Moor faszinierte.

Platz wandelt auf seinen Spuren, wenn er seine Gäste in der Führung "Gruselkabinettstückchen" zu unheimlichen Begegnungen im Walde führt, die sich bei Nähe betrachtet zum Beispiel als expressionistische Großplastik des Bildhauers Bernhard Hoetger (1874-1949) herausstellt. "Den Kindern kann es gar nicht blutrünstig genug sein", sagt der Gästeführer - und legt nach mit der Sage von der Nebelfrau.

Frankfurt am Main: Der Kulturhistoriker mit profundem Wissen

"Sex and crime", antwortet Christian Setzepfandt auf die Frage, welche Stadtführungen am besten ankommen. Der Kulturhistoriker aus Frankfurt am Main, der schon sein Studium mit Stadtführungen in der Bankenstadt finanzierte, weiß auch, wie man einen guten Guide findet: "Bei Führern, die nach dem Bundesverband der Gästeführer BVGD zertifiziert sind, macht man wenig falsch, doch letztlich urteilt der Markt, wer am besten den Ton trifft und den Gästen in kurzer Zeit anschaulich ein vergleichsweise korrektes Bild vom Thema zeichnet."

Setzepfandts Stadterkundung auf den Spuren des früh vergewaltigten und als schwer erziehbar geltenden Mädchens Rosemarie Nitribitt, das sich in Frankfurt zur Edelprostituierten hocharbeitete und ermordet wurde, ist immer schnell ausgebucht. Dabei rückt der Guide mit akribisch recherchierten Details, Fotos und Einschätzungen so manche Aussage zu dem Kriminalfall zurecht, bei dem lange Zeit die Verwicklung von Politik und Prominenz diskutiert wurde.

Freilichtmuseum im Schwarzwald: Die patente Volksschauspielerin

Wer erfahren will, mit welchen Kräutern die Schwarzwälder Bäuerinnen ihr Liebesleben aufpeppten, Geburten kontrollierten oder unnütze Esser beseitigten, wird fündig im Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof in Gutach im Ortenaukreis.

Dort weiht Billy Sum-Herrmann in bestickter Samtbrust und einem Rock mit Besensaum ihre Gäste als Vogtsbäuerin Barbara Aberle in die Geheimnisse der Bauersfrauen ein. Die Anekdoten um Sex, Geburt und Tod würzen anschauliche Schilderungen, wie Mensch und Tier seit dem 17. Jahrhundert im Eindachhof lebten.

Sum-Herrmann ist seit 2005 nach einem einjährigen Kurs von Nabu und VHS eine der ersten zertifizierten Schwarzwald-Guides. Damals wollte sie mit vier Kindern nicht mehr als Krankenschwester arbeiten. Da sie schon als Kind gern in Kostüme und Rollen schlüpfte, spielt sie nun historische oder typisierte Frauen im Kinzigtal, in der Dorotheen-Glashütte Wolfach oder auf Bahnfahrten nach Konstanz.

Sardinien: Die deutsche Netzwerkerin

Sardinien kennt die PR-Beraterin Christine Wolfangel, seit sie die Insel nach dem Abitur als Backpackerin besuchte. Inzwischen ist sie dort verheiratet, hat einen Sohn und zeigt ihren Gästen ihre Wahlheimat jenseits von Badeferien an der Costa Smeralda.

Für den Job bei einer kleinen lokalen Reiseagentur und für den deutschen Anbieter Womanfairtravel hat sie sich als Naturführerin und im Pferdetrekking weitergebildet. "Unsere Gäste wollen den persönlichen Kontakt mit Einheimischen, sie sind interessiert an Rezepten, wollen etwas über das Lebensgefühl erfahren, auch über Probleme, die das Leben an so einem Ort mit sich bringt, der auf den ersten Blick so paradiesisch erscheint", erzählt sie.

Doch Sarden seien ein zurückgezogener Menschenschlag. "Man zieht sich hier auf den engsten Kreis der Familie zurück", weiß Wolfangel. Deshalb hat sie viel Zeit und Energie in den Aufbau eines Netzwerkes investiert. Jetzt kann sie ihre Gäste mit den Menschen und ihren Geschichte in Verbindung bringen. Beim Backen und Käse machen, bei Kräuterspaziergängen und Atelierbesuchen oder bei Winzern und Bauern.

© dpa-infocom, dpa:210127-99-193248/3

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