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Kreisdeponie Freyburg-Zeuchfeld 200.000 Euro Schmiergeld für Müll?

Hat sich der Chef der Mülldeponie Freyburg-Zeuchfeld mit 200.000 Euro schmieren lassen? Am Mittwoch begann das Verfahren gegen ihn. Auf der Kippe soll falsch deklarierter Hausmüll aus Italien entsorgt worden sein.

Von Oliver Schlicht 18.09.2014, 03:16

Halle l Wolfgang B. wirkt mitgenommen. Der 59-jährige, groß gewachsene Mann mit Vollbart sitzt zusammengesunken auf der Anklagebank des Hallenser Landgerichtes und folgt dem Geschehen. Angaben zur Sache will er nicht machen, teilt sein Anwalt mit. Er sei unschuldig. Nur seinen Familienstand erläutert er kurz: "Ich bin geschieden und habe vier Kinder. Das jüngste Kind ist zwei Jahre alt."

Beruflich wie privat hat Wolfgang B. schon sehr viel bessere Tage erlebt. Im Zeitraum 2006 bis 2008, um den sich das gestern eröffnete Strafverfahren dreht, war B. Vorstand eines kommunalen Abfallzweckverbandes und Geschäftsführer der vom Burgenlandkreis betriebenen Mülldeponie Freyburg-Zeuchfeld. Heute wird ihm Bestechlichkeit im großen Stil vorgeworfen. Der potenzielle Bestecher sitzt nur wenige Meter neben ihm ebenfalls auf der Anklagebank. Hans-Michael S., 61 Jahre, Abfallunternehmer. Er betreibt einen Containerdienst, eine Abfallsortieranlage und ist an Wertstoffverarbeitungszentren in Halle und Weißenfels beteiligt. Auch S. streitet alle Vorwürfe ab.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft im Kern: Deponiechef B. soll illegale Absprachen unter anderem mit besagtem Unternehmer getroffen haben. So sei Müll aus Italien, der eigentlich in Müllverbrennungsanlagen gehört hätte, auf der Kreisdeponie verkippt worden. Insgesamt geht es um 360000 Tonnen Müll. B. soll für das Durchwinken des Mülls insgesamt 200000 Euro erhalten haben. Außerdem sei er mit fünf Euro pro Tonne auch direkt am Müllgeschäft beteiligt gewesen.

Die Staatsanwaltschaften in Sachsen-Anhalt entwickeln inzwischen eine gewisse Routine im Umgang mit dem Müllskandal, in den auch die Vorkommnisse in den Tongruben Vehlitz und Möckern (Jerichower Land) verwickelt sind. Das gestern eröffnete Verfahren ist so etwas wie der Zwischenakt. Die Fortsetzung sollte sich dann um die Tongruben aus dem Jerichower Land drehen. Anklage ist bereits erhoben. Mit einer Eröffnung dieses Verfahrens am Landgericht Stendal wird in den nächsten Monaten gerechnet. Die Vorgänge dort liegen ähnlich.

Das Vorspiel fand bereits im Juli am Hallenser Landgericht statt. Da wurde ein ehemaliger Spediteur aus Braunsbedra zu einer Haftstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt, weil er insgesamt 69000 Tonnen Müll illegal auf der Deponie von B. entsorgt hatte. Das Gericht rechnete einen Gewinn von 244000 Euro aus.

Beim Verfahren gegen den Spediteur saß der ehemalige Deponie-Chef Wolfgang B. mit im Publikum. Grund für das Interesse: Der Angeklagte war geständig. Nur so kam er mit Bewährung davon. Seine Angaben fließen nun in die Beweisführung des Verfahrens gegen den Deponie-Chef mit ein.

Hausmüll mit hohen organischen Anteilen in Müllverbrennungsanlagen zu entsorgen, kostet sehr viel mehr, als ihn auf der Deponie abzukippen. 2005 hatte der Gesetzgeber das bundesweit verboten. Anschließend häuften sich die Vorfälle, wobei illegal organischer Abfall (Hausmüll) mit mineralischem Abfall (Sand, Erden) vermischt wurde, um Kosten zu sparen.

Genau 206570 Euro Schaden entstanden dem Burgenlandkreis laut Staatsanwaltschaft. Denn die Deponie Zeuchfeld war auf mineralischen Abfall technisch nicht vorbereitet. Die Abfälle begannen gefährlich zu gasen. Die Deponie wurde 2008 geschlossen und musste mit entsprechender Technik zur Entgasung ausgestattet werden.

Der Verteidiger von Unternehmer Hans-Michael S. beteuerte dagegen, der angelieferte Müll habe den gesetzlich zugebilligten "Störstoffanteil" im Müll von fünf Prozent sogar unterschritten. Auch für das angebliche "Schmiergeld" hatte der Verteidiger eine Erklärung. Dies sei ein Honorar für eine Biogas-Studie gewesen. Ein entsprechender Vertrag liege vor. B. erhielt Zahlungen aus Litauen, weil Unternehmer S. damals im litauischen Wohnungsbau Fuß fassen wollte. Zur abfallwirtschaftlichen Arbeit von B. bestehe kein Zusammenhang.