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Flüchtlinge Behörden suchen Obdach für Minderjährige

Ab sofort weist der Bund den Ländern jugendliche Einwanderer zu. Sachsen-Anhalts Landkreise fahnden nach Pflegefamilien.

Von Hagen Eichler 04.11.2015, 00:01

Magdeburg l Die Landkreise und kreisfreien Städte müssen sich darauf einstellen, deutlich mehr minderjährige unbegleitete Flüchtlinge aufzunehmen als bisher. Für dieses und das nächste Jahr zusammen rechnet das Land mit 1500 Fällen. Zum Vergleich: 2013 waren es weniger als 40.

Bislang mussten die Behörden die Kinder und Jugendlichen dort betreuen, wo sie aufgegriffen wurden. Dadurch sind bayerische Landkreise völlig überlastet. Seit November verteilt deshalb der Bund die Minderjährigen gleichmäßig auf die Länder. Noch ist Sachsen-Anhalt allerdings nicht in der Lage, seinen Anteil an dieser Aufgabe zu schultern. „Wir haben deshalb für November und Dezember eine verringerte Quote erreicht“, sagt Sozial-Staatssekretärin Anja Naumann (SPD).

Die Landkreise bringen die jungen Flüchtlinge vor allem in Wohngruppen und Kinderheimen unter, die von freien Trägern betrieben werden. Von denen seien zwei Drittel bereit, ihre Kapazitäten zu erweitern, sagt Naumann. „Das dauert aber etwas, die Träger brauchen Personal, Räume und Genehmigungen von Behörden.“

Als Alternative kommen Pflegefamilien in Frage. Etliche Landkreise haben dazu bereits Aufrufe gestartet. „Ein Zuhause auf Zeit“ sucht etwa das Jugendamt Jerichower Land. Zukünftige Pflegeeltern sollten Kenntnisse im Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen haben, heißt es in dem Text. Sprachkenntnisse und Wissen über fremde Kulturen seien von Vorteil. Pflegeeltern erhalten ein Pflegegeld, das für Unterkunft, Verpflegung, Bekleidung und Betreuung gedacht ist.

Auf die Jugendämter kommt eine völlig neue Klientel zu. Bislang werden die Ämter aktiv, wenn in desolaten Familien das Kindeswohl bedroht ist. Die minderjährigen Flüchtlinge hingegen, sagt Staatssekretärin Naumann, kämen in der Regel aus intakten Familien. „Manche von denen sprechen mehrere Sprachen, die haben Bildungshunger.“

Unter den Minderjährigen sind wenige jüngere Kinder, die auf der Flucht verlorengegangen sind. Meist handelt es sich um 16- oder 17-jährige männliche Jugendliche, die von ihrer Familie allein auf die Reise geschickt wurden. „Jüngere verkraften eine solche Strapaze ja nicht“, sagt Iris Herzig vom Landkreis Börde.

Zur Aufgabe der Behörden gehört auch, das Alter ihrer Schützlinge festzustellen. Nicht alle sind tatsächlich unter 18 Jahren – einige geben sich als jünger aus. Sie wissen, dass Deutschland Minderjährige nicht abschiebt, selbst wenn diese aus sicheren Drittländern kommen. Beim Landkreis Börde nehmen zwei Jugendamtsmitarbeiter solche Fälle in Augenschein und begutachten den Stand der körperlichen Entwicklung.

Für den Landkreistag sind die jungen Flüchtlinge eine „ganz besondere Herausforderung“, sagt Geschäftsführer Heinz-Lothar Theel. „Wir werden uns dem aber stellen, weil wir die Aufgabe auf breitere Schultern verteilen müssen.“