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SPD Genossen vertreiben Gewitterwolken

Stimmungswandel bei der SPD: Die Partei rückt nach dem Debakel bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt wieder enger zusammen.

20.03.2016, 23:01

Magdeburg l Der „Friedensengel“ aus Berlin ist da. Die Krisensitzung am Freitagabend hat zwar schon begonnen – doch dass Sigmar Gabriel zur zerstrittenen SPD nach Sachsen-Anhalt kommt, ist ein Ausrufezeichen. Die Partei muss sich nach der Schlappe bei der Landtagswahl neu aufstellen. In den letzten Tagen hat es an mehreren Fronten heftig gekracht. Gabriel will die Gewitterwolken vertreiben.

In der Sitzung wird der Parteichef mit Applaus empfangen. Doch Gabriel geht nicht sofort zum Mikro, er hört erst mal zu. Hört sich den Frust und die Kritik an, die die Genossen in der zweiten Aussprache binnen einer Woche loswerden wollen. Als er das Wort ergreift, macht er keinen Hehl daraus, dass das desaströse Ergebnis aufgearbeitet werden muss. Dies sei eine „bittere Niederlage“ für die SPD, sagt Gabriel. Er fordert die Landespartei auf, das Klima „zu entgiften“.

Zur Frage, ob die SPD Koalitionsverhandlungen mit CDU und Grünen aufnehmen oder in die Opposition gehen sollte, hat der Parteichef eine klare Meinung. Die SPD habe eine Verantwortung für dieses Land, sagt er. Gabriel spricht den Genossen Mut zu, „in die Regierung zu gehen“. Dafür sei Geschlossenheit wichtig.

Das sind Worte, die der neue Fraktionschef Andreas Steppuhn gern hört. Seine Kampfkandidatur gegen Finanz-Staatssekretär Jörg Felgner war an der Basis nicht gut angekommen. Das war nicht der Neuanfang, den man sich versprochen hatte, hieß es. Nun blickt Steppuhn nach vorn. Er sagt: „Ich werde in der Fraktion keine Lagerbildung zulassen. Wir müssen zur gemeinsamen Arbeit zurückfinden.“

Viele SPD-Politiker sprechen nach der Sitzung von einem Stimmungswandel, von neuem Vertrauen. „Es war dringend nötig, dass wir uns aussprechen. Wir stellen uns neu auf, die SPD wird gebraucht“, sagt der Landrat des Salzlandkreises, Markus Bauer. Sein Kollege aus dem Jerichower Land, Steffen Burchhardt, sagt: „Am Montag haben mich noch Feuerblitze getroffen. Jetzt haben wir uns wieder in die Augen sehen können.“ Die Worte von Gabriel seien auf fruchtbaren Boden gefallen, heißt es unter den Genossen. Der Parteichef sei nicht „schulmeisterlich“ aufgetreten.

Beendet sind die Debatten nicht. Es gebe weiter Gesprächsbedarf, sagt Landtagsabgeordneter Holger Hövelmann. „Diese Zeit wollen wir uns nehmen“, sagt er. Auf dem Sonderparteitag am 2. April soll das geschehen. Dann wird auch die neue Parteiführung gewählt.

Neuer Landeschef soll der Magdeburger Bundestagsabgeordnete Burkhard Lischka werden. Ihm traut man es zu, die Partei aus dem Tal zu führen. Er sagt: „Alle haben tief in den Abgrund geschaut und wissen, dass sie sich jetzt in eine andere Richtung bewegen müssen.“ Lischka will das Amt für zwei Jahre ausüben – danach soll ein anderer übernehmen. Von Berlin aus sei ein Landesverband auf Dauer schwer zu führen, sagt Lischka.

Bei ihm wird sich Vizekanzler Gabriel mit Sicherheit erkundigen, wie es mit der SPD in Sachsen-Anhalt weitergeht. Die Richtung gibt er nach der dreistündigen Sitzung am Freitag schon mal vor: „Ich glaube, dass sich alle über die Verantwortung, die sie für das Land haben, im Klaren sind.“

Am heutigen Montag setzt die SPD die Sondierungen mit CDU und Grünen fort. Koalitionsverhandlungen sollen nach dem Parteitag folgen. Hinter den Kulissen wird aber schon jetzt eifrig über Ministerposten diskutiert. Kultusminister Stephan Dorgerloh sieht sich im Aufwind und würde gern weitermachen. Er sei befreit von Ex-Fraktionschefin Katrin Budde und Finanzminister Jens Bullerjahn, heißt es. Doch auch Claudia Dalbert von den Grünen will den Job haben. André Schröder (CDU), der das Kultusressort ebenfalls im Blick hatte, ist jetzt für das Wirtschaftsministerium im Gespräch. Fürs Sozialministerium kommen Petra Grimm-Benne (SPD) und die kommissarische Landes-Chefin Katja Pähle (SPD) infrage. Für die Finanzen ist Jörg Felgner (SPD) im Gespräch.

In der CDU gibt es jedoch Unmut darüber, dass die SPD drei Häuser beansprucht. Es heißt, Finanzminister könnte auch der bisherige Wirtschaftsstaatssekretär Marco Tullner werden. Als CDU-Chef in Halle hat er eine starke Hausmacht. In diesem Fall könnte Felgner Wirtschaftsminister werden – was bedeuten würde, dass Schröder doch das Kultusministerium übernimmt. Für die Grünen bliebe das Umweltressort. Angesichts der Spekulationen scheint derzeit nur eines klar zu sein: Die drei Parteien werden nicht alle ihre Wünsche erfüllt bekommen. Meinung