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Kenia-Koalition „Obergrenze“ schafft es in den Vertrag

Im Wahlkampf überlagerte die Flüchtlingskrise alle anderen Themen. Nun soll es ein Integrations- und Teilhabegesetz geben.

18.04.2016, 23:01

Magdeburg l Bei den Koalitionsverhandlungen von CDU, SPD und Grünen hatte es in der Arbeitsgruppe „Integration, Stärkung der Demokratie“ die härtesten Diskussionen gegeben. Hintergrund ist, dass Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) im Landtagswahlkampf für Sachsen-Anhalt eine Inte­grations-Obergrenze von 12 000 gefordert hatte. SPD, Linke und Grüne kritisierten ihn deswegen scharf.

Daher war mit Spannung erwartet worden, auf welchen Vertragstext sich CDU, SPD und Grüne verständigen. Herausgekommen ist ein Kompromiss, im Koalitionsvertrag heißt es: „Uns ist bewusst, dass die Chancen für eine gute Integration vor allem mit zu finanzierenden öffentlichen Bildungsangeboten, den vorhandenen Aufnahmekapazitäten und freien Arbeitsplätzen einhergehen. Wir akzeptieren daher, dass die CDU angesichts dieser nicht unbegrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen in diesem Zusammenhang von objektiven Integrationsobergrenzen spricht und diese auch zahlenmäßig definiert.“

Die Verhandlungspartner einigten sich auf ein Inte­grations- und Teilhabegesetz. Darin sollen die „wechselseitigen Rechte und Pflichten im Integrationsprozess“ geregelt werden. „Deutschland ist ein Einwanderungsland“, steht im Koalitionsvertrag. Eine „gelebte Ankommenskultur“ werde gefördert.

Der Integrationswille von Flüchtlingen solle unterstützt werden. „Wir fordern ihn aber auch verbindlich ein. Die Einhaltung unserer Gesetze und die Achtung unserer Werte sind unabdingbar für den Zusammenhalt unseres Gemeinwesens.“ Für muslimische Schüler soll ein dem konfessionellen Religionsunterricht vergleichbares Unterrichtsangebot eingeführt werden.

Das sind weitere Kernpunkte aus dem Koalitionsvertrag:

Die Neuausrichtung des Verfassungsschutzes wird vorangetrieben. Die Koalition wird transparente Regelungen für den Einsatz und die Führung von V-Leuten sowie für verdeckte Maßnahmen schaffen. So kommen Personen, die schwere Straftaten begangen haben, nicht als V-Leute in Frage. Die Parlamentarische Kontrollkommission, das Kontrollgremium des Landtags für den Verfassungsschutz, soll künftig – soweit möglich – öffentlich tagen.

Die Koalition wird die Kennzeichnungspflicht für Polizisten in geschlossenen Einsätzen wie zum Beispiel Demonstrationen einführen. Die individuelle Kennzeichnung wird vor dem Einsatz erfasst und für die Dauer von drei Monaten vorgehalten.

Der Einsatz sogenannter Body-Cams (englisch für Körperkamera) wird im Rahmen eines Modellversuchs geprüft. Es wird die gesetzliche Grundlage geschaffen für einen Probebetrieb von maximal zwei Jahren in den drei kreisfreien Städten Magdeburg, Halle und Dessau-Roßlau. Eine „Body-Cam“ wird von Polizisten sichtbar getragen und zur Dokumentation des Einsatzgeschehens verwendet. Polizisten werden weiter nicht mit sogenannten Distanz-Elektroimpulswaffen („Taser“) ausgestattet.

Ortschaften unter 300 Einwohner sollen ab 2019 die Möglichkeit bekommen, einen gewählten Ortschaftsrat oder einen gewählten Ortsvorsteher zu haben.

Die energetische Nutzung der Braunkohle werde spätestens mit der Auskohlung des Tagebaus Profen auslaufen, heißt es im Vertrag. „Das bedeutet für die Koalition: keine neuen Tagebaue für die energetische Nutzung und keine neuen Kohlekraftwerke.“ Eine schwarz-rot-grüne Koalition unterstütze keine Untersuchungen und Planungen neuer Tagebaue. Ein Exportverbot von Braunkohle soll geprüft werden.

Die Lebensarbeitszeit soll von 65 Jahren auf 67 Jahre erhöht werden. Die Altersgrenze für den Ruhestand von Polizisten, Feuerwehrmännern und Justizvollzugsbeamten wird künftig auf 61 Jahre (bis zur Besoldungsstufe A 11) und ab der Besoldungsstufe A 12 auf 62 Lebensjahre angehoben.

Das Personalvertretungsgesetz soll moderner und flexibler ausgestaltet werden. So soll die Freistellungsgrenze für die Mitglieder des Personalrats von bisher 300 Beschäftigten auf 250 Beschäftigte herabgesetzt werden. Außerdem: Unternehmen, die nachweislich betriebliche Mitbestimmung verhindern, sollen von der Landesförderung ausgeschlossen werden.

Einigkeit besteht darin, die Forschungsförderung „wieder deutlich aufzustocken“. Gefördert werden soll insbesondere die Grundlagenforschung an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

Der Erhalt der Medizinischen Fakultäten und der Universitätskliniken in Magdeburg und Halle wird zugesichert. Die Kooperation mit Klinika im Umfeld wird aktiv unterstützt. Eine Privatisierung oder Teilprivatisierung der Krankenversorgung wird abgelehnt.

Die Koalitionspartner „stehen für eine umweltverträgliche Nutzung der Elbe, die mit dem Naturhaushalt in Einklang steht“. Der Ausbau der Elbe wird ebenso abgelehnt wie eine weitere Vertiefung und der Bau neuer Staustufen. Dabei sei hinzunehmen, dass eine ganzjährige Schiffbarkeit (345 Tage) nicht gewährleistet sei. Die Saale soll in das Förderprogramm des Bundes „Blaues Band“ aufgenommen werden.

Das Ost-West-Gefälle in der wirtschaftlichen Entwicklung soll abgebaut werden. Das gelinge, so steht es im Vertrag, „nur mit einer im Bundesvergleich auch weiterhin überdurchschnittlichen Investitionsquote“.

Kultur- und Kreativwirtschaft werden gezielt gefördert, die Bürokratie weiter abgebaut. Die Investitions- und Marketingsgesellschaft soll neu ausgerichtet werden.

Betriebe sollen bei der Nachwuchsgewinnung mit Gutscheinen für Schülerpraktika unterstützt werden.

Gerade kleine und mittlere Unternehmen sollen beim Umstieg auf Erneuerbare Energien vom Land unterstützt werden.

Die Kommunen werden dabei unterstützt, Unternehmen, Privathaushalte und öffentliche Institutionen bis Ende 2018 mit schnellen Internetanschlüssen – mindestens 50 Mbit/s – zu versorgen. Dort, wo schnelles Internet existenziell notwendig ist, etwa in Gewerbegebieten und Industriezentren, sind mindestens 100 Mbit/s vorgesehen.

Opfern des SED-Regimes soll geholfen werden. „Einen Schlussstrich lehnen wir ab“, heißt es. Geprüft werden soll, ob und inwieweit die Leugnung des sogenannten Schießbefehls an der früheren innerdeutschen Grenze zukünftig strafrechtlich verfolgt werden kann.

Sachsen-Anhalt soll Radverkehrsland werden. Im Verkehrsministerium wird die Stelle eines Radverkehrskoordinators geschaffen, „um die Zuständigkeiten im Radverkehr strategisch und organisatorisch zu bündeln“.