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Ameos-Kliniken Streit auf der Zielgeraden

Im Arbeitskampf bei Ameos treibt neuer Streit Arbeitgeber und Beschäftigte auseinander. Die Streikunterbrechung wurde aufgehoben.

Von Alexander Walter 16.06.2020, 11:07

Magdeburg l Nach monatelangem Streit sah es vor zwei Wochen bereits nach einer Beilegung des Tarifkonflikts an den Ameos-Kliniken im Salzlandkreis sowie in Haldensleben aus. Acht Prozent mehr Lohn und zwei Sonderzahlungen für die rund 1500 Beschäftigten sollten als Übergangslösung Verhandlungen über einen abschließenden Tarifvertrag den Weg ebnen.

Inzwischen hat sich das Blatt aber gewendet. Seit vergangener Woche protestieren Mitarbeiter nach Streiks im Februar in Mittagspausen wieder vor Ameos-Kliniken – so am Freitag in Staßfurt und gestern in Schönebeck. Was ist passiert? Nach Angaben der Arbeitnehmerseite hat der private Träger die vereinbarte Zwischenlösung nachträglich an Bedingungen geknüpft.

In einem Papier der Gewerkschaft Verdi, das der Volksstimme vorliegt, heißt es sinngemäß: Die Übergangslösung werde nur in Kraft treten, wenn 95 Prozent der Mitarbeiter auf Ansprüche an Ameos verzichten, die viele derzeit über Klagen erstreiten wollen.

Es handele sich um Forderungen nach über Jahre nicht gezahltem Weihnachtsgeld und Leistungszulagen, berichtete ein Betriebsrat aus dem Salzlandkreis gestern. Mitarbeiter wehrten sich zudem gegen das Einfrieren ihres Gehaltsniveaus auf den Stand von 2012 – also den vorgegebenen Verzicht auf Lohnsteigerungen. Allein im Salzlandkreis schätzte der Betriebsrat die Klagen auf nicht gezahltes Weihnachtsgeld auf rund 400. Im Einzelfall dürfte es dabei vielfach um Tausende Euro Ansprüche gehen.

Darüber hinaus stehe die Forderung einer 35-Stunden-Woche im Raum – mit entsprechend abgesenkter Bezahlung.

Ameos-Regionalsgeschäftsführer Frank-Ulrich Wiener sagte gestern, man habe der Arbeitnehmerseite keine neuen Bedingungen gestellt. „Wir haben nach einem Weg gesucht, wie wir alle Mitarbeiter mit der Zwischenlösung erreichen und nicht nur die Verdi-Mitglieder“, sagte Wiener. Herausgekommen sei ein Umsetzungsvorschlag, den in der Tat 95 Prozent der Mitarbeiter unterzeichnen müssten. Dass Beschäftigte dabei auf Klageansprüche verzichten müssten, stimme, ergänzte Wiener.

„Aber man muss sich auch entscheiden“, betonte er. „Entweder klage ich, weil ich der Auffassung bin, dass ich schlecht bezahlt wurde, oder ich versuche über Streiks sofort mehr Lohn zu bekommen und den bekomme ich dann.“

Beides mitzunehmen, funktioniere nicht. Wiener ergänzte, Unstimmigkeiten mit der Arbeitnehmerseite gebe es nicht. Er setze auf die Fortsetzung der Verhandlungen. Der nächste Gesprächstermin mit Verdi, Betriebsräten und Vertretern der Ärztegewerkschaft Marburger Bund ist für den 23. Juli geplant.

Auf der Arbeitnehmerseite klang das gestern indes anders. „Uns haben die neuen Bedingungen völlig überrascht, die Stimmung ist gekippt“, berichtete der Ameos-Betriebsrat. Im zitierten Verdi-Papier an die Beschäftigten heißt es zudem: Die Punkte von Ameos „erklären wir zum ‚NoGo“‘ – bedeutet übersetzt so viel wie: Sie sind inakzeptabel.

Die Klagen gegen Ameos haben eine Vorgeschichte: Beim Kauf der Salzlandkliniken 2011 (in Schönebeck, Staßfurt, Bernburg und Aschersleben) schloss der Klinikbetreiber mit den Beschäftigten einen Sanierungspakt. Im Gegenzug für einen fünfjährigen Kündigungsschutz und der Wiedereröffnung des zwischenzeitlich geschlossenen Krankenhauses Staßfurt sollten die Mitarbeiter Arbeitszeitverkürzungen sowie den Verzicht auf Weihnachtsgeld und Tarifsteigerungen akzeptieren.

Das klappte bis zum Auslaufen der Vereinbarung 2017. Danach entfiel der Kündigungsschutz. Die Kürzungen aber blieben. Es folgten die jetzt anhängigen Klagen.

Gestern Abend beschlossen die Mitglieder der Tarifkommission in einer Telefonkonferenz nun, eine mit Ameos für Verhandlungen vereinbarte Streikunterbrechung aufzuheben. In einer Chat-Mitteilung an Mitarbeiter heißt es: Die Arbeitgeberseite solle bis 15. Juli "letztmalig" aufgefordert werden, das vereinbarte Lohnplus ohne weitere Vorbedingungen zu akzeptieren. Andernfalls drohen Streiks.

Auch heute sind nach Arbeitnehmer-Angaben neue Proteste an Kliniken in der Mittagspause geplant. Die 1500 Ameos-Beschäftigten fordern seit Monaten die Anlehnung ihrer Arbeitsverträge an das Tarifniveau.