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Wie ein Mitschüler die Schüsse im Hauptmann-Gymnasium erlebt hat Amoklauf: "Es hat geknallt, ich dachte an einen Luftballon"

Von Tom Koch 27.02.2013, 01:17

Eine Achtklässlerin hat mitten im Unterricht mit einer Schreckschusspistole geschossen. Schockierte Schüler am Dienstag im Raabe-Gebäude des Hauptmann-Gymnasiums. Es folgt ein Großeinsatz von Polizei, Lehrern und Psychologen. Ein Augenzeuge berichtet.

Wernigerode l "Plötzlich hat es so laut geknallt, ich dachte sofort an einen Luftballon." Dass gerade mitten in der Französischstunde von einer Mitschülerin eine Schreckschusspistole abgefeuert wurde, hat Lennart Winkler in diesem Moment gar nicht mitbekommen.

Begleitet von seinem Vater berichtet der 13-Jährige im Volksstimme-Gespräch, wie er diesen Schreck am Dienstagmorgen im Wernigeröder Hauptmann-Gymnasium miterlebt hat. "Ohne Vorwarnung wurde geschossen. Einmal in die Luft, und ich glaube ein zweites Mal auf den Boden", sagt der Schüler. Die Schützin habe dabei auch irgendwas geschrien, "vielleicht so etwas wie: ,Jetzt knallt\'s\'". So ganz genau könne er sich an ihre Worte aber nicht erinnern.

"Wir haben uns alle sofort unter unseren Schulbänken versteckt."

Dafür weiß er, was unmittelbar nach den Schüssen passiert ist: "Wir haben uns alle sofort unter unseren Schulbänken versteckt. Dann hat unsere Lehrerin Frau Amsel uns aufgefordert, aus der Klasse, aus der Schule hinauszulaufen." Bis zum Einkaufsforum laufen die Kinder, später treffen sie ihre Mitschüler im KiK. Dort werden sie beruhigt, wird ihnen von den Lehrern gesagt, die Gefahr ist vorbei, niemand in der Schule sei ernsthaft verletzt worden.

Später wird Sachsen-Anhalts Kultusminiser Stephan Dorgerloh (SPD) erklären lassen, er sei erleichtert über den glimpflichen Ausgang dieses "Zwischenfalls". Dabei ausdrücklich das besonnene Vorgehen der Schule und des Landesschulamtes loben.

Zur Mittagszeit hat Lennart Winkler seine Zeugenvernehmung bei der Wernigeröder Polizei am Nicolaiplatz bereits hinter sich. Nur den Ranzen darf er frühestens um 15Uhr aus dem Klassenraum Nummer12 holen, noch ist dieser Raum hinter der großen grünen Tür ein Tatort. Beamte von Landeskriminalamt und Polizei ermitteln noch immer im Raabe-Gebäude.

Hatte er Angst? "Nein!" Der schlaksige Bursche gibt sich tapfer. Jetzt, da er weiß, so eine Schreckschusswaffe ist nicht so gefährlich wie eine richtige Pistole, da sei er "nur noch etwas aufgeregt". Er wolle zu Hause ein wenig ausruhen, später vielleicht noch zum Karatetraining gehen.

"Sie wollte eher in Ruhe gelassen werden, das haben wir akzeptiert."

Über die 15-Jährige, die mit der Gaspistole geschossen hat, weiß der Achtklässler nicht viel. Neu sei sie in der Schule, vielleicht seit einem halben Jahr dort. Lennart Winkler: "Sie wollte eher in Ruhe gelassen werden, das haben wir akzeptiert." Dass das Mädchen in der "Weißen Villa" wohne, das sei in der Klasse auch bekannt gewesen. Dort würden Menschen behandelt, "die irgendwelche Probleme haben", sagt der 13-Jährige.

Christoph Spamer, Leiter dieser Einrichtung eines sozialtherapeutischen Netzwerks, war gleich am Dienstagmorgen in der Schule. Für die Volksstimme ist er hingegen nicht zu sprechen, eine Mitarbeiterin erklärt am Telefon knapp, Auskünfte erteile ausschließlich die Polizei.

Lennart Winkler wird am Mittwochmorgen keinen "normalen" Unterricht haben. Er und alle übrigen weit mehr als 500Schüler des Gerhart-Hauptmann-Gymnasiums in den fünften bis zwölften Klassen beginnen den Tag mit einer Klassenleiterstunde. Gemeinsam wollen die Mädchen und Jungen mit den Pädagogen das Geschehene im Gespräch verarbeiten.