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Architektur Neues Bauen mit Weitblick am Wasser

Nach vielen Jahren des Schrumpfens drehen sich in Magdeburg wieder die Baukräne. Beim neuen Wohnen ist dabei Qualität gefragt.

Von Kristina Pezzei 03.04.2018, 23:01

Magdeburg l Es war wohl nur eine Frage der Zeit: Wenn im April der Premium-Makler Engel & Völkers eine auf Wohn­immobilien ausgerichtete Sparte am Standort Magdeburg eröffnet, folgt er lediglich der Entwicklung am Markt. „Wir beobachten schon seit 2010 wachsendes Interesse am Wohnungsmarkt Magdeburg, und zwar gerade bei jüngeren Menschen“, sagt der neue Niederlassungsleiter Maximilian Scharf, der bereits seit einigen Wochen vor Ort arbeitet.

Engel & Völkers steht für eine Klientel, bei der hochwertig vor günstig kommt – und veranschaulicht damit einen Trend in der Landeshauptstadt, der in regionalen Nachbarstädten wie Leipzig und Dresden längst durchgeschlagen ist: Nach dem Schrumpfen und einer eher auf Rückbau fokussierten Wohnungspolitik in den Nachwendejahren setzen Projektentwickler und Wohnungsunternehmen auf Neubau oder aufwendiges Sanieren im Bestand. Qualität ist schick geworden, die Nachfrage danach wächst.

Das bestätigt auch Annett Lorenz-Kürbis. Die Niederlassungsleiterin des Immobiliendienstleisters Aengevelt beobachtet und begleitet den Magdeburger Markt seit den 1990er Jahren. „Das Interesse an hochwertigem Wohnraum steigt vor allem bei Eigennutzern“, sagt Lorenz-Kürbis. Zum einen kehren dank der positiven wirtschaftlichen Entwicklung Magdeburgs junge Menschen in ihre Heimatregion zurück, die gut ausgebildet sind und nun entsprechend dotierte Stellen vorfinden. Wer sich ganz neu für Magdeburg entscheidet, tut dies in der Regel ohnehin wegen eines attraktiven Arbeitsplatzes mit guter Bezahlung und möchte angenehm wohnen.

Eine weitere, zunehmende Interessentengruppe bilden Bewohner aus dem Umland – entweder ältere, denen das Leben im eigenen Haus zu beschwerlich wird und die auf eine städtische Infrastruktur verbunden mit unkompliziertem Wohnkomfort setzen. Oder es handelt sich um gut verdienende, in Magdeburg arbeitende bisherige Pendler, wie es der Chef der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Wobau beschreibt: Früher habe es kaum gute Angebote in der Stadt gegeben, folglich hätten sich diese Menschen ein Haus im Speckgürtel gebaut, sagt Peter Lackner. „Jetzt gibt es viele, die sagen, ich verkaufe das Haus, muss mich um nichts mehr kümmern und entscheide mich für eine schöne Wohnung in der Stadt.“ Grundsätzlich seien mindestens 10 Euro pro Quadratmeter für erstklassige Wasserlagen mit Weitblick keine Seltenheit mehr.

Es sind Bewegungen, die in Sachsen-Anhalt in kleinerem Maßstab auch andernorts zu beobachten sind: In Städten wie Wolfen, Stendal oder Aschersleben gehe es ebenfalls nicht mehr nur um Leerstands-Management, hat der Verbandsdirektor der sachsen-anhaltinischen Wohnungswirtschaft, Jost Riecke, beobachtet. Seit etwa vier Jahren würden sowohl kommunale als auch private Entwickler mit hochwertigen Neubauten oder Sanierungsprojekten Akzente setzen – um die Städte voranzubringen und unter anderem Rückkehrern gehobenen Wohnstandard anbieten zu können, erklärt Riecke.

In den häufig großzügig angelegten Siedlungsstrukturen ostdeutscher Städte machen sich zudem nach wie vor innerstädtische Verschiebungen bemerkbar: Manche Plattenbausiedlung wird in ihrer Dimension als monoton empfunden, die Bewohner zieht es in ein individuelleres und zentraleres Umfeld. Abriss und Neubau gehen Hand in Hand. Egal ob Klein- oder Landeshauptstadt: Was für Umzugswillige zählt, ist die Lage.

„Gefragt sind Wohnungen in Wassernähe, idealerweise nah an der City gelegen“, sagt Engel-&-Völkers-Standortleiter Scharf über Magdeburg. Ungeachtet der Erfahrungen mit Hochwasserkatastrophen steige die Bautätigkeit rasant in der Altstadt und auf dem Werder, und auch in Stadtteilen rund um die Elbufer wie Buckau oder Cracau werde rege gebaggert und gebaut. Wobau-Chef Lackner bekräftigt die Dynamik: „So viele Baukräne wie in Magdeburg sieht man selten.“ Er geht von einem dreistelligen Millionenbetrag aus, den kommunale und private Entwickler derzeit verbauen.

Unterstützt wird diese Entwicklung von Grundstückspreisen, die immer noch deutlich unter dem Niveau anderer Städte liegen, gepaart mit der Verfügbarkeit von Bauland – was in Metropolen und Ballungsräumen zum Flaschenhals für den Wohnungsbau geworden ist, treibt in Magdeburg kaum einem Investor Sorgenfalten auf die Stirn.

Die Landeshauptstadt war schon zu DDR-Zeiten großzügig angelegt und erweitert worden. Als sich Lokalpolitiker in den Nachwendejahren trauten, leerstehende Wohnblocks abzureißen, schufen sie weiteren Platz in häufig attraktiven Lagen; diese Entscheidungen zahlen sich nun aus.

Die Wobau mischt selbst mit beim Neubau. In der Innenstadt entwickeln Wohnungsgenossenschaften und das kommunale Unternehmen mit dem Domviertel ein komplett neues Ensemble auf Grundstücken, die früher von Plattenbauten gesäumt wurden. Sie arbeiten dabei auch mit dem Bauunternehmen Industriebau Wernigerode zusammen – das wenige hundert Meter weiter nördlich ein eigenes Neubauvorhaben auf mehr als 4000 Quadratmetern verwirklicht hat.

Drei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 37 Wohnungen sind unter dem Namen „Weitlingviertel“ entstanden, unterkellert von einer Tiefgarage, barrierearm, mit Balkon oder Terrasse und Aufzügen. Die Bewohner im Erdgeschoss können zudem kleine Gärten nutzen. Die Wohnungen sind allesamt verkauft und bewohnt. Die Wernigeroder Firma schließt derzeit in Stadtfeld-Ost eine weitere Baulücke, mit zwei Häusern des Projekts „Goethe45“. Auch hier sei die Nachfrage groß, sagt der zuständige Projektleiter Oliver Ahaus.

Manche Wohnungen seien mehrfach reserviert, bei Quadratmeterpreisen von bis zu 3400 Euro pro Quadratmeter in den obersten Etagen. Ahaus erklärt das enorme Interesse zum Teil mit dem geringen Angebot für solchen Wohnraum in attraktiven Mikrolagen und bekräftigt damit die Einschätzung von Marktbeobachtern.

Die Wernigeroder wirken auch an einem der optisch hervorstechenden Bauprojekte auf der anderen Elbseite mit – am „Quartier 326“ an der Turmschanzenstraße. Hinter dem Projekt steht eine Entwicklungs-GmbH, die das Grundstück vor wenigen Jahren ersteigert hatte. Aus einem Architektenwettbewerb ging der nun im Bau befindliche Entwurf hervor: Ein Fünfgeschosser mit geschwungener Fassade, der die Flussbewegung nachempfindet.

Auf das ebenerdige Parkdeck setzen insgesamt 27 Wohnungen mit individuellen Grundrissen auf, mit Terrassen oder Balkons, Be- und Entlüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, Fußbodenheizung und hochwertiger Ausstattung. Die oberen Wohnungen sind als Penthouses angelegt, die Quadratmeterpreise liegen bei um die 3200 Euro. Die Nachfrage sei von Anfang an enorm gewesen, sagt der Sprecher der GmbH, Holger Weichelt. „Noch vor dem ersten Spatenstich waren fast alle Einheiten verkauft.“

Weichelt bestätigt den sich abzeichnenden Urbanisierungstrend in die Landeshauptstadt: Bei den Käufern handele es sich mit großer Mehrheit um Eigennutzer, und zwar aus dem Speckgürtel Magdeburgs. Die Gesellschaft plant inzwischen ein zweites Projekt ebenfalls in Elbnähe, architektonisch indes etwas weniger ambitioniert – denn die exklusive Optik habe eben ihren Preis und drücke die Rendite, bekennt Weichelt.

Bei allem Anspruch von Nutzerseite sind in der Landeshauptstadt nicht die gleichen Preise abrufbar wie in Metropolregionen – ob noch nicht oder nie, darüber gehen die Meinungen am Markt auseinander.

Aengevelt-Expertin Lorenz-Kürbis etwa verweist auf den begrenzten Platz in guten Lagen. „Irgendwann werden die Grundstücksflächen auch hier knapper und die Projekte ausgewählter“, sagt sie. Wobau-Chef Lackner hingegen berichtet schon jetzt von Spitzenmieten von bis zu 15 Euro pro Quadratmeter und sieht Magdeburg in seiner Entwicklung vergleichbaren Städten im Westen nachfolgen.

Die Aufholjagd auf dem Wohnungsmarkt ist seiner Meinung nach noch längst nicht beendet.

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