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Sigmar Gabriel Auf der Suche nach Antworten

Nicht nur Geld für Flüchtlinge - Alleinerziehende, Kinder und Rentner müssen ebenso unterstützt werden, fordert SPD-Chef Gabriel.

26.02.2016, 23:01

Magdeburg l Der Gegner ist ausgemacht. Am Eingang werden Faltblätter verteilt. Punkt für Punkt stehen den Forderungen der AfD die Position der Sozialdemokraten gegenüber. Klare Kante zeigen lautet das Motto.

Es kratzt am Selbstverständnis der SPD, dass eine rechtspopulistische Partei in den Umfragen gleichauf mit ihr liegt. Ein Phänomen, für das auch Parteichef Sigmar Gabriel Antworten sucht. Statt selbst viel zu reden, will er von den Magdeburgern zunächst wissen, wie sie sich die Entwicklung in ihrem Bundesland erklären. „Was bewegt die Menschen, die die AfD wählen wollen?“, fragt er die gut 200 Zuhörer. Das treibt ihn um.

Natürlich hat der Vizekanzler eine eigene Theorie im Hinterkopf. Und als ein Mann sagt, dass die Bundesregierung endlich „Lösungen, Klarheit und Kraft“ liefern müsse, legt er los. „Das Versprechen der Klarheit, der Einfachheit, ist meistens gelogen“, sagt er. „Ich würde die nicht wählen, die mir sagen, ich habe eine einfache Antwort auf ein kompliziertes Problem.“

Jetzt hängen alle im Saal an seinen Lippen. Der SPD-Chef nutzt das für eine Belehrung. „Das Leben ist nicht schwarz oder weiß. Keiner von uns lebt so, wie er es von der Politik fordert“, sagt er. Das Leben bestehe aus Kompromissen.

Ja, er verstehe die Sehnsucht nach nationalen Antworten, sagt er. „Die Welt ist verdammt kompliziert geworden. Trotzdem dürfen wir nicht zulassen, dass die demokratische Mitte unseres Landes ins Wanken gerät“, sagt er. Die Flüchtlingskrise sei ein „Katalysator“ für eine generelle Unzufriedenheit vieler Menschen „mit der Politik“: „Die da oben und wir hier unten“.

Warum das so ist? Der Flüchtlingshelfer Ralf Weigt wagt eine Erklärung. Der fehlende Zusammenhalt habe etwas damit zu tun, dass es diesen auch in der schwarz-roten Bundesregierung nicht gebe, sagt er. „Das scheint sich widerzuspiegeln. Viele sind unsicher.“

„Das stimmt“, antwortet Gabriel. „Je wackeliger eine Regierung agiert, desto mehr wächst unten auch die Unsicherheit“, appelliert er in Richtung von CDU und CSU. Doch das Hauptproblem sei ein anderes: Erst gab es Milliarden für Banken und Griechenland, jetzt für die Flüchtlinge. Viele Menschen hätten Angst, dass andere „wichtige Dinge“ nun nicht mehr finanzierbar seien. Gabriel schlussfolgert: „Wir dürfen nicht weggucken, dass wir in Deutschland eine viel zu hohe Kinderarmut haben, dass es Alleinerziehenden schwerfällt, klarzukommen, beim Thema Rente für Schlechtverdiener - sonst werden die Leute sauer.“

Wenn man sich nicht auch um diese Themen kümmere, „dann werden wir sozialen Sprenstoff in unser Land schieben.“ An die Adresse von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) richtet er für die nächsten Jahre schon mal aus: „Die schwarze Null ist etwas schönes, wenn man sie schafft.“ Aber nicht um jeden Preis.

Da klatschen die vielen Sozialdemokraten im Saal. Gabriel stärkt den sozialen Markenkern der SPD. Ohne Schlussappell aber fährt der Chef nicht zurück nach Berlin. Er werde nach der Landtagswahl wiederkommen, verspricht er. Und dann sollten bitte alle einen Arbeitskollegen mitbringen, „der die Schnauze so richtig voll hat.“ Denn mit denen müsse man dringend ins Gespräch kommen.