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Berateraffäre Das Bullerjahn-Netzwerk

Ex-Minister Bullerjahn rückt wegen Verquickung privater und geschäftlicher Interessen in den Fokus. Dabei geht es auch um Parteispenden.

16.11.2016, 20:12

Magdeburg l Nach dem Rücktritt von Wirtschaftsminister Jörg Felgner (SPD) wird in der Berateraffäre nun die Rolle von Ex-Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) immer kritischer hinterfragt. Ein altes Projekt sorgt plötzlich für neue Diskussionen. Es geht um das im Januar dieses Jahres eingeweihte neue Finanzamt in Halle. Den Zuschlag dafür erhielt ein guter Bekannter Bullerjahns: Klaus Papenburg, Chef des Baukonzerns Papenburg.

Mehr als 33 Millionen Euro kosteten Gebäude und Grundstück. In der europaweiten Ausschreibung des Finanzministeriums hieß es, die Baufirma solle ein Grundstück mitbringen. Als Einziger konnte das: Papenburg. Schon bei der Vergabe des Auftrags gab es Hindernisse. Ein Mitbewerber, die Firma Goldbeck, klagte bis vor das Oberlandesgericht wegen zu kurzer Ausschreibungsfristen – das Verfahren musste wiederholt werden. Erneut rügte der Mitbewerber die Vorstellungen des Finanzministeriums, doch diesmal ohne Erfolg. Papenburg setzte sich durch. Auch dass der Landesrechnungshof überteuerte Bodenpreise und Vergabefehler monierte, änderte nichts. Für die Linke stand deshalb schon im Januar 2014 fest: „Die Koalition hat alle Alternativstandorte für einen Neubau abgelehnt und eine auf das Papenburgsche Grundstück zugeschnittene Ausschreibung vorgenommen.“

Die nächsten 25 Jahre wird Papenburg weiter von dem Auftrag profitieren: Das Land mietet das Finanzamt zunächst, erst danach geht es in dessen Besitz über. Mit Miete und Zinsen belaufen sich die Gesamtkosten für das Land auf rund 60 Millionen Euro. Bullerjahn sagt am Mittwoch zum Bau des Finanzamts: „Richter haben geurteilt, dass alles rechtskonform gewesen ist.“

Volksstimme-Recherchen belegen nun: Papenburg hatte während der Bautätigkeit wohl stets gute Kontakte ins Finanzministerium. Eine enge Mitarbeiterin des damaligen Staatssekretärs Jörg Felgner (SPD) war die Tochter von Frank Heinze – dem Geschäftsführer der Papenburg Hochbau GmbH, welche den Bau des Finanzamtes übernahm.

Nach seinem Wechsel ins Wirtschaftsministerium nach der Landtagswahl im Frühjahr machte Felgner sie sogar zu seiner Büroleiterin. Das Finanzministerium wollte diese Rechercheergebnisse nicht kommentieren. „Fragen zur Person unserer früheren Mitarbeiterin berühren die Persönlichkeitsrechte Dritter. Deshalb kann ich darauf nicht antworten“, erklärt ein Sprecher auf Anfrage.

Auch das MDR-Magazin „Exakt“ berichtete am Mittwochabend darüber. Wie die Volksstimme außerdem erfuhr, arbeitet inzwischen auch ein Sohn des Ex-Finanzministers für Papenburg. Dieser war mehrfach mit Fahrten unter Alkoholeinfluss aufgefallen. Als 30-Jähriger fing er bei Papenburg in Hannover eine Berufsausbildung an.

„Exakt“ zitiert dazu Klaus Hartung, den stellvertretenden Regionalleiter der IG Bau: „Der Bullerjahn ist ja nicht nur Finanzminister des Landes gewesen, er war auch stellvertretender Ministerpräsident. In solch einer Position sollte man wirklich alles unterlassen, was ein Geschmäckle haben könnte, was als Vorteilsnahme ausgelegt werden könnte.“

Jens Bullerjahn kann die Aufregung darüber nicht verstehen. Der Volksstimme sagt er am Mittwoch: „Papenburg stellt jedes Jahr 80 bis 100 Jugendliche ein. Ich habe keinen Einfluss auf die Bewerbung genommen. Was soll denn der Junge eines Ministers machen? Er kann doch nicht wegen seines Vaters quasi ein Berufsverbot bekommen.“

Auch den Wirbel um die Verbindung des Papenburg-Geschäftsführers Heinze in die Chefetage des Finanzministeriums versteht Bullerjahn nicht. „Wir haben das als gerechtfertigt angesehen. Sie hat keinen Einfluss auf Entscheidungen im Baubereich gehabt“, sagt er.

Politische Sprengkraft dürfte eine weitere Volksstimme-Information entfalten. Denn: Es gibt Hinweise darauf, dass Papenburg den Wahlkampf von Bullerjahn mit Spenden unterstützt hat. Dieser dementierte das auf Anfrage der Volksstimme nicht. „Das schließe ich nicht aus“, sagt der Ex-Finanzminister.

Hinweise gibt es auch darauf, dass das Wirtschaftsinstitut ISW in Halle SPD-Politiker mit Spenden unterstützt hat. Zu den Begünstigten gehörte nach Volksstimme-Informationen der jetzt zurückgetretene Wirtschaftsminister Felgner. Dieser soll Gelder über den SPD-Ortsverein Halberstadt erhalten haben. Felgner wollte das am Mittwochabend weder bestätigen noch dementieren.

Die Volksstimme hatte in den vergangenen Wochen enthüllt, dass die Landesregierung mehrfach umstrittene Berateraufträge vergeben hatte. Seit Anfang November befasst sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit den Vorgängen. Bullerjahn soll schnellstmöglich als Zeuge aussagen. Er hat bereit angekündigt, er werde „einiges geraderücken“.

Sein Finanzministerium hatte immer wieder Aufträge an das ISW vergeben – zum Teil über die Investitionsbank des Landes. ISW-Chef Michael Schädlich und Bullerjahn sind gut befreundet. Die Ehefrau des Ex-Finanzministers arbeitete zeitweise für das Institut. Schädlich wiederum ist auch Präsident des Fußballclubs Hallescher FC (HFC).

„Exakt“ berichtete darüber, dass Bullerjahn auch im Jahr 2010 beim Stadionneubau für den HFC interveniert haben soll. Als der Neubau – auch hier war Papenburg wieder beteiligt – zu scheitern drohte, soll Bullerjahn die Überweisung von Fördergeldern trotzdem angewiesen haben.

Insgesamt flossen in diesem Zusammenhang sechs Millionen Euro Landesgelder. Magdeburg ging bei dem Neubau seines Stadions hingegen leer aus.

Landtagsabgeordneter Olaf Meister (Grüne), der auch Vorsitzender des Finanzausschusses ist, will nicht ausschließen, dass das eine Gefälligkeit für einen guten Freund gewesen sein könnte. Er sagt dem MDR: „Das Stadion Halle war damals heftiger Kritik ausgesetzt. Teilweise auch die unterschiedliche Behandlung zwischen Magdeburg und Halle war vom Politischen her nicht zu verstehen und ist eigentlich nur vor solchen persönlichen Hintergründen zu erklären. Ich glaube, es war ein grundsätzliches Problem des damaligen Finanzministers, dass er die privaten Dinge und die geschäftlichen Dinge nicht immer sauber getrennt hat.“