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Bildung Kritik an neuer Lehrer-Ausschreibung

Wegen des Lehrermangels stellt Sachsen-Anhalt ab sofort auch Bachelor-Absolventen als Lehrer ein. Die GEW warnt vor „Dumping"-Lehrkräften.

Von Alexander Walter 28.06.2019, 01:01

Magdeburg l Normalerweise muss, wer in Sachsen-Anhalt Lehrer werden will, vier oder fünf Jahre studieren. Anschließend kommen noch 16 Monate Referendariat hinzu.

Weil das Land aktuell aber so viele Lehrer wie nie sucht und gleichzeitig Bewerber fehlen, hatte Bildungsminister Marco Tullner (CDU) bereits 2017 die Hürden abgesenkt. Seitdem dürfen auch Diplom-Wissenschaftler wie Chemiker oder Musiker als Seiteneinsteiger im Schuldienst arbeiten. Bei der jüngsten Ausschreibungsrunde von 900 Lehrerstellen im Februar stellten Wissenschaftler ohne Lehramtsabschluss bereits die Hälfte der Bewerber. Trotzdem reichte das nicht. Mehr als 200 Stellen waren auch im April unbesetzt. Mit Beginn einer neuen Ausschreibungsrunde für 550 Stellen am Mittwoch hat Tullner die Voraussetzungen deshalb noch einmal deutlich gelockert. Fehlen höherqualifizierte Bewerber, können ab sofort auch Fachhochschul-Diplomer und Uni-Bachelor als Lehrer arbeiten. Ausgenommen bleiben nur Gymnasien.

„Wir können uns starre Grenzen nicht mehr leisten“, sagte Tullner. Es seien zahlreiche, gute Bewerber mit Fachhochschul-Diplom auf das Land zugekommen. Bislang könne man diese nur befristet einstellen. Man wolle den Kandidaten aber eine Perspektive bieten. Weil der Bachelor dem Fachhochschul-Diplom gleichgestellt ist, sei das Lehramt auch für diesen Abschluss geöffnet worden. Ein Verzicht auf Qualität sei das nicht, betonte Tullner. „Der klassisch ausgebildete Lehrer hat überall Vortritt. Wir müssen aber akzeptieren, dass es Stellen gibt, für die wir solche Lehrer nicht finden.“

Die Lehrergewerkschaft GEW kritisiert den Schritt: „Kopf- und konzeptlos werden Einstellungsvoraussetzungen weiter gelockert, ohne die Folgen in den Blick zu nehmen“, sagte Chefin Eva Gerth. Sie warnte vor einer Generation von „Dumping-Lehrkräften“, die zum Unruhefaktor in den Schulen würden. Sinnvoller wären verbindliche Weiterbildungen, die Seiteneinsteigern Perspektiven auf einen gleichwertigen Abschluss bieten und den Einstieg so attraktiver machen. Ein aktueller vierwöchiger Vorbereitungskurs und vorhandene Pflichtfortbildungen reichten nicht aus. Tatsächlich würden Bachelor-Lehrer weniger als klassische Lehrer verdienen und hätten auch keine Chance auf Gleichbezahlung: Ein Bachelor an Sekundarschulen etwa bekäme bei Einstieg 3346 Euro brutto, sein Lehrer-Kollege 3933 Euro.

Der Grundschulverband sieht auch die Qualität der Bildung in Gefahr: „Das Signal: ‚Jeder kann Lehrer werden, ist falsch‘“, sagte Chefin Thekla Mayerhofer. „In Kliniken würde man ja auch keinen Arzt mit sechs Semestern Studium einstellen.“ Sie forderte, Kandidaten vor Einstellung zur Probe arbeiten zu lassen. Die Linke forderte, die Öffnung für Bachelor und Co. auf künstlerische Fächer zu beschränken. Unterstützung erhält Tullner indes von der SPD: „Angesichts des Mangels ist der Schritt völlig richtig“, sagte Bildungsexpertin Sabine Kolb-Janssen.