Frauentag Chefin zu sein ist ...
Hat man es als Frau schwerer, die Karriereleiter zu erklimmen und sich oben zu halten? Zum Frauentag schildern Chefinnen ihre Erfahrungen.
... eine Frage des Trainings
Wenn Diana Engelke nebst Mitarbeiter in einer Kundenverhandlung sitzt, sticht sie am Tisch oft heraus. Denn häufig ist sie dort die einzige Person, der keine Krawatte stünde. Ganz abgesehen davon, dass sie rein altersmäßig manches Kunden Tochter sein könnte. Die 32-Jährige arbeitet als Chefin in einer Männerdomäne: Sie leitet ein Ingenieurbüro. Vor einem Jahr hat sie die Firma Engelke Engineering samt ihren 15 Mitarbeitern vom Vater übernommen.
Das Geschlechter-verhältnis in der Branche macht sich die Magdeburgerin gar nicht erst bewusst: „Ich denke im Gespräch nicht darüber nach, ob jemand Mann oder Frau ist. Was zählt, ist das Fachwissen.“ Ihre Kunden, sagt sie, scheinen das genauso zu sehen. Sicher auch dank des Doktors vor ihrem Namen. Nur ab und zu mal gebe es einen altgedienten Firmenchef, der beim ersten Treffen skeptisch wirke. Sie merkt das dann daran, dass er sehr kritische Fragen stellt. Engelke bringt das nicht aus der Ruhe: „In solchen Fällen verschaffe ich mir Akzeptanz durch meine Kompetenz.“
In ihren Augen hat weder Frau noch Mann die besseren Anlagen zum Chef. Es sei alles eine Frage der drei „T“s: Team, Typ und Training. Ihr Team habe sie damals schnell akzeptiert – obwohl einige sie noch als Studentin kannten, als sie Zuarbeiten lieferte. „Außerdem war es gut eingespielt, das hat mir geholfen.“ Vom Typ her, findet die Magdeburgerin, nützen ihr zwei Eigenschaften: Selbstbewusstsein und die Offenheit für Ratschläge – auch von Mitarbeitern. Und das Training? „Ich achte auf meine Körpersprache“, verrät sie. Seit einem Seminar für Führungskräfte vermittelt Engelke in Gesprächen mit Händen und Haltung ganz bewusst: „Hier bin ich.“ Abgesehen davon, erzählt sie, habe sie sich angewöhnt, Konflikte sachlich zu sehen. Dass sie ihr Exotendasein als Frau im Ingenieursmetier so lässig ignorieren kann, ist im Prinzip auch Übungssache: „Seit dem Studium kenne ich es ja nicht anders.“
... im Umgang mit Chefärzten entspannt
Böse war es nie gemeint, da ist sich Jana Uhlig sicher. Vor vier Jahren steckte sie nun mal noch in der Ausbildung für Uni-Absolventen, und da rutschte es manchem Chefarzt eben ab und zu heraus: ein „Na, Mädchen!“ Heute kommt wohl niemand mehr auf diese Idee. Denn inzwischen gibt Uhlig Anweisungen. Mit erst 29 Jahren leitet sie die Helios-Klinik Jerichower Land in Burg mit 400 Mitarbeitern.
„Als ich hier anfing, war ich überrascht, wie wenig der Umgang mit den Chefärzten ein Problem ist, obwohl ich eine junge Frau bin“, erzählt sie über die großteils männlichen Kollegen. Ihre Vermutung: „Vielleicht liegt es an ihrem gestandenen Alter. Sie haben schon viel erreicht, auf Macho-Gehabe legen sie keinen Wert.“ Auch sonst sei sie von schlechten Erfahrungen als Karrierefrau bisher verschont geblieben: „Ich hatte nie das Gefühl, dass ich mich als Frau besonders positionieren muss.“
Dass sie es zur Chefin gebracht hat, glaubt die Thüringerin, verdankt sie Eigenschaften, die weder typisch männlich noch typisch weiblich sind: „Ich bin immer engagiert und sehr flexibel.“ Letzteres bezieht sich nicht nur auf ihr Fachgebiet – Uhlig kommt eigentlich aus der Hotelbranche –, sondern auch auf Umzüge: Seit sie bei der Helios-Gruppe landete, hat sie schon in fünf Bundesländern gearbeitet. Davor studierte sie in England, Schottland und der Schweiz.
Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Chefs sieht Uhlig durchaus: „Viele Frauen reflektieren zum Beispiel mehr ihre Schwächen, Männer schieben sie eher zur Seite.“ Allerdings: „Letztlich kann man seine Leistungen durch das Nachdenken über Fehler verbessern. Unterm Strich gleichen sich Vor- und Nachteile also aus.“
... bei der Themenwahl egal
Eine Hospitanz beim ZDF – für Annegret Oster war das damals, als Studentin, eine Riesen-Sache. „Ich weiß noch genau, wie happy ich war, als ich die Zusage in den Händen hielt“, erinnert sie sich. Heute, mehr als 20 Jahre später, leitet Oster selbst eine junge Frau an, die Fernsehluft schnuppert, und dazu zehn Mitarbeiter. Sie ist Chefin des ZDF-Studios Sachsen-Anhalt.
Auf ihrem Weg dorthin saß die Journalistin aus Rheinland-Pfalz in unzähligen Redaktions-Konferenzen. Dort fielen ihr immer wieder zwei Verhaltensmuster auf: „Frauen sagen oft nur dann etwas, wenn sie einen neuen, wichtigen Punkt anbringen können. Männer wiederholen auch gern mal mit einer Selbstverständlichkeit schon Gesagtes, als wäre es etwas Neues.“ Das mache es für eine Frau aber nicht schwieriger, Chefin zu werden: „Sie muss nur ihren Stil selbstbewusst für sich nutzen.“ Sprich: Wenn jemand ihren Themenvorschlag in neuem Wortgewand als seinen verkauft, bedankt sie sich mit einem charmanten Grinsen dafür, dass er ihre Idee unterstützt.
Außerdem, sagt die 48-Jährige, sei es wichtig, offen zu sagen, wenn man eine Leitungsposition übernehmen wolle. Sie hat das auch gemacht. Sonst hätte ihr Chefredakteur ihr vielleicht vor anderthalb Jahren den Job in Magdeburg nicht angeboten. Dass der ein Förderer von Frauen in Chefsesseln ist, hat ihr zusätzlich geholfen. Immerhin ist beim ZDF die Hälfte aller Landesstudio-Leiter weiblich.
Wer übrigens glaubt, dass Annegret Oster ständig Beiträge über Schwangerschaft und Frauenquote anleiert, der irrt: „Würde ich das machen, hieße das ja, dass ich Frauen grundsätzlich als massiv unterstützenswert ansehe. Sie gehören aber für mich nicht in die Opferrolle.“
... im Osten weniger ein Thema
Als Mandy Zepig Bürgermeisterin wurde, traten einige Menschen in ihrem Umfeld mit einem ungewöhnlichen Anliegen an sie heran: Sie baten sie, andere Strumpfhosen zu tragen. Denn die Gardelegerin mag‘s bunt. Gern auch mit Mustern. Nicht, dass sie sich von dieser Bitte hätte beirren lassen. „Nur es spricht doch auch keiner einen Mann auf die Farbe seiner Krawatte an“, sagt sie. Die 40-Jährige kann aber damit gut leben. Denn solche Situationen sind die einzigen, in denen sie sich als weiblicher Boss anders behandelt fühlt.
Zepig findet: „Ich habe es nicht schwerer als ein Mann.“ Wie sie sich das erklärt? „Vielleicht liegt es daran, dass ich mich schon lange für Gardelegen engagiere.“ Die Stelle als Rathaus-Chefin hat sie zwar erst vor einem Jahr angetreten. Im Stadtrat sitzt die SPD-Politikerin aber seit 2004. Und vor ihrer Kandidatur hat sie in der Wirtschaftsförderung Verwaltungsluft geschnuppert. Einen weiteren Grund vermutet Zepig in ihrem Auftreten: „Ich bin keine Schreihals-Frau. Ich vertrete meine Meinung ruhig und sachlich.“ Als studierte Anwältin ist sie darin ohnehin geübt.
Zudem hat die Altmärkerin folgende Theorie: „Die Akzeptanz von Chefinnen ist im Osten weniger ein Thema als im Westen. Denn hier war es immer normal, dass eine Frau arbeitet.“ So gebe sie auch auf dem Chefstuhl ein gewohnteres Bild ab.
In ihrer Weiblichkeit sieht Mandy Zepig sogar einen Vorteil: „Frauen sind in Gesprächen oft weniger ruppig.“ Dennoch erlebt sie manchmal, dass Kolleginnen wieder aus der Kommunalpolitik aussteigen. Denn: „Wer Kinder hat und arbeitet, schafft es kaum, sich im Stadtrat zu engagieren.“ Sie selbst bekommt zwar Karriere und Kind unter einen Hut. „Doch bei drei, vier Abendterminen pro Woche hätte ich als Alleinerziehende ein Problem.“
... mit Hilfe auch mit Kind möglich
An der Größe der Belegschaft gemessen, ist Louisa Klemmer eine Mini-Chefin. Als Professorin für Tourismusmanagement an der Hochschule Harz hat sie gerade mal einen Mitarbeiter. Die 41-Jährige kennt aber auch das andere Extremum: Nach dem Studium trug sie in Düsseldorf die Verantwortung für drei Hotels mit zusammen 150 Angestellten. „Da ich in der Hotellerie groß geworden bin, hatte ich das Operative zuvor gelernt – vom Zimmermädchen bis zur Rezeptionistin“, erzählt sie. „Aber in die Mitarbeiterführung musste ich erst hineinwachsen. Und umso höher ich aufstieg, desto häufiger gab es männliche Kollegen, die das nicht toll fanden.“ Doch sie lernte, sich durchzusetzen: „Man muss einfach selbstbewusst mit der Verantwortung umgehen.“
Trotzdem stieg Klemmer nach fünf Jahren aus der Hotelkette der Eltern aus. Grund: ihr Kinderwunsch. „Ich hatte einen 24-Stunden-Job“, erklärt sie. Der Einstieg in die Wissenschaft war leicht. Professoren ihrer früheren Uni in den USA hatten ihr längst angeboten, zurückzukehren. Nach der Promotion landete sie dann über ein Forschungsprojekt im Harz.
Ihr privates Projekt ist heute acht Jahre alt und geht in die Grundschule. Ohne die Hilfe ihres Mannes allerdings könnte Klemmer als Mutter auch in diesem Job nicht Vollzeit arbeiten. Wenn sie Abendtermine hat, richtet er sich darauf ein. Und das ist nicht selten: „Ich habe viele Sitzungen. Außerdem brauche ich Zeit zum Netzwerken mit Hochschulen und der Wirtschaft.“ So kommen nun mal Projekte zustande. Hier vermutet Klemmer auch einen Grund, warum so wenige Frauen Wissenschaftler werden. „Der Druck, trotz des Zeitaufwands seiner Familie gerecht zu werden, ist groß.“