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Corona-Krise „Viele Friseure haben geweint“

Handwerk berichtet von großem Druck auf die Branche / Salons wieder geöffnet

Von Herbert Spies 04.05.2020, 23:01

Magdeburg/Heyrothsberge l Es ist schwer, den Gemütszustand eines Menschen einzuschätzen, wenn dieser einen Mund- und Nasenschutz trägt. Bei Friseurmeisterin Verena Falke ist es leicht: Denn die 29-Jährige strahlt so sehr, dass ihre großen, braunen Augen deutlich kleiner erscheinen. „Endlich!“, sagt sie und lacht, „endlich dürfen wir wieder arbeiten und Geld verdienen. Ich bin sehr glücklich.“ Sie steht in ihrem Salon in Magdeburg-Alte Neustadt und erzählt von der zurückliegenden Zeit der quälenden Ungewissheit. Erst seit einem Jahr führt sie den Familienbetrieb in eigener Verantwortung. Und diese kann in einer solchen Krise zur Bürde werden: „Meine vier Mitarbeiter musste ich in Kurzarbeit schicken. Und die 9000 Euro Soforthilfe, die ich umgehend beantragt hatte, sind noch immer nicht auf meinem Konto.“

Insgesamt sechs Wochen dauerte die Zwangspause wegen der Corona-Pandemie. „Mir fehlen deshalb rund 10 000 Euro Einnahmen“, sagt Verena Falke. Von der Berufsgenossenschaft haben die Friseure im Land die strengen Hygieneauflagen im Detail erfahren. In der Hairlounge Falke fehlen nun einige Stühle, damit der Abstand gewahrt werden kann. Die Kunden müssen sich die Hände waschen und desinfizieren und selbstverständlich auch eine Gesichtsmaske tragen. Und nach jedem Schnitt, nach jeder Dauerwelle und jedem Färben werden die Stühle aufwendig desinfiziert. „Das Material ist teuer, deshalb habe ich alle Preise um zwei Euro erhöht“, sagt die Friseurmeisterin. Einer ihrer Stammkunden kommt direkt am ersten Tag zum Haareschneiden: Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg, deren Sitz direkt um die Ecke ist. „Viele Friseure haben am Telefon geweint, wenn sie bei unserer Hotline angerufen haben. Die Nerven liegen zunehmend blank. Denn von der Soforthilfe dürfen keine Lebenshaltungskosten bezahlt werden. Deshalb müssen viele Selbständige Hartz IV beantragen“, erzählt Burghard Grupe. Der übergroße Druck auf die Branche und die Kunden habe sich zunehmend ein Ventil gesucht.

„Immer mehr Anfragen wegen Schwarzarbeit erreichten die Friseure“, berichtet er. Das bestätigt Verena Falke: „Kommen sie doch einfach bei uns vorbei und schneiden uns die Haare“, hätten die Kunden gesagt. „Nein“, meint die 29-Jährige und schüttelt den Kopf, „das mache ich nicht.“

Im Handwerkskammerbezirk Magdeburg gibt es aktuell inklusive aller Filialen 1242 Friseursalons, in den rund 2500 Beschäftigte arbeiten. „Viele haben keine nennenswerten Rücklagen aufbauen können. Hier herrscht seit fast 20 Jahren ein harter Verdrängungswettbewerb. Der Re-Start war dringend notwendig“, so der Handwerkskammer -Chef.

Zufrieden und glücklich ist auch Friseurmeisterin Corinna Heine, die in Biederitz und Heyrothsberge je einen Salon Dynamik mit insgesamt acht Mitarbeitern führt. „Wir sind die nächsten vier Wochen ausgebucht“, sagt sie fröhlich. Alle Kunden hätten viel Verständnis. Mit Humor nehmen die Meisterinnen die teils verzweifelten Selbstversuche so mancher Kunden. „Es gab solche Fälle beim Färben“, lacht Verena Falke. Auch selbst geschnitten sähen die Frisuren nicht gut aus. Davon lenkt auch keine auffällige Gesichtsmaske ab. Meinung