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Coronavirus Narrenkappen in Sachsen-Anhalt eingemottet

Traditionell stehen heute die Narren vor den Rathäusern, doch die Karnevalssession ist vorbei, bevor sie begonnen hat.

Von Bernd Kaufholz 11.11.2020, 00:01

Magdeburg l Dirk Vater hat eine Glaskugel auf seinem Schreibtisch stehen. „In die gucke ich, um zu sehen, wie es mit dem Karneval in Sachsen-Anhalt weitergeht.“ In diesen Worten des Präsidenten des Karneval-Landesverbandes schwingt eine gehörige Portion Bitterkeit mit. „Es ist schon traurig, dass wir im November nichts machen können. Lediglich kleine Veranstaltungen zur Sessioneröffnung finden wohl statt. Die größeren sind abgesagt.“

Genauso sehe es mit den Rosenmontagszügen aus. Halle, Dessau, Köthen, die für ihre bunten Umzüge mit vielen Teilnehmern bekannt sind, wurden abgesagt. Aber auch kleinere, wie in Gutenswegen (Börde) und Merseburg. Die Wagen und Kostüme bleiben in Garagen beziehungsweise im Schrank.

Allerdings: „Nun ist ja Sachsen-Anhalt sowieso nicht das Land mit großen Motivwagen, sondern eher der kleineren Traditionswagen“, sagt Vater. „Trotzdem stecke eine Menge Liebe und Arbeit in der Ausgestaltung.“ Im August, September hätten die meisten Vereine die Vorbereitungen auf die Session mit Blick auf die Pandemie gestoppt. Deshalb halte sich der wirtschaftliche Schaden wohl in Grenzen und die Karnevalisten stünden nicht vor dem Ruin.

Einen Mini-Lichtblick am 11.  11. gebe es immerhin: „Unser Landesprinzenpaar Sandra I. und Andreas I. werden den Rathausschlüssel von Schönebecks Oberbürgermeister Bernd Knoblauch überreicht bekommen.“

Ihre Majestät Sandra I. (Kaluschke), im richtigen Leben Arzthelferin, sagt dazu: „Der OB hat gesagt, dass er die Karnevalisten nicht im Stich lassen und den Sessionsbeginn mit uns festlich begehen will. Auch wenn es täglich eine Absage nach der anderen für uns als Prinzenpaar hagelt. Mein Herz bricht jedes Mal.“ Mehr als 15 Termine seien geplatzt, so die 36-Jährige vom Felgeleber Carnevalsclub.

„Bei uns fällt die Schlüsselübergabe nicht aus“, ist sich Axel Krunig, Vorsitzender des Bad Kösener Karnevalsvereins, sicher. „Aber anstatt vor großer Kulisse werden diesen Akt nur Bürgermeister Holger Fritzsche und ich vollziehen. Am Sonntag vor Rosenmontag wollen wir im Freien die einzige Veranstaltung der Session durchführen.“

Michael Boße hält den Orden in der Hand, der extra für diese Session und den 50. Geburtstag des Domersleber Carneval Clubs (Börde) angefertigt wurde: „50 Jahre in Gelb und Blau, der DCC ruft Börde Helau“. Doch die Vorfreude, diese närrische Auszeichnung bei Prunksitzungen zu vergeben, ist wie eine Seifenblase geplatzt. „Es ist eben so, wie es ist“, sagt der Präsident des DCC. Und meint damit auch den Festumzug, der nach fünf Jahren 2021 wieder an der Reihe wäre. „Die Stimmung der 55 Aktiven ist dementsprechend.“

Doch ein Fünkchen Hoffnung bestehe für die Blaugelben noch: „Wenn sich die Lage im Februar etwas entspannt haben sollte, werden die DCC-Männer für die DCC-Frauen ein kleines Programm im Vereinsrahmen gestalten – und umgekehrt.“

Und sein letzter Satz strahlt ein wenig Optimismus aus: „Wir werden‘s überleben.“

Die Magdeburger Uni-Karnevalisten waren bisher stolz darauf, seit 66 Jahren keine Session ausgelassen zu haben. „Aber schon früh haben wir uns Gedanken gemacht: Was wäre, wenn? Im August war uns klar, dass die Karnevalssaison wohl ins Wasser fallen wird“, sagt Ober-Ottojaner Torsten Meyer. Es würde auch niemand verstehen, wenn alles ruht und die Karnevalisten so tun würden, als würde sie die Pandemie nichts angehen. Drei Mottos seien bereits in die engere Wahl gekommen: „Otto schafft das – die Narrenalm“, „Hüttengaudi wie noch nie – Otto feiert Apres Ski“ und „Back to the roots – back to the 90‘s – OTTOs Zeitreise ins Neon-paradies“.

„Schweren Herzens haben wir uns von einer großen Karnevalssause verabschiedet, wollten aber am 11. 11. wenigstens mit kleinen Aktionen unter dem Motto ,Mut zur Lücke – Atempause‘. Als Anspielung auf die 66 Jahre ohne Pause.“

„Natürlich werden uns die Großveranstaltungen im Amo mit 1000 Gästen fehlen – auch finanziell, denn die laufenden Kosten, wie Gema-Gebühren und Mieten werden uns ja nicht erlassen.“ Sponsoren würden zwar noch nicht abspringen, „aber wir können ihnen ja in dieser Session durch Erwähnung in Programmheften oder anderweitige nichts zurückgeben“.

Meyer wünscht sich, dass nicht nur die Wirtschaft durch die die Politik Unterstützung braucht, „sondern auch und besonders die Kulturszene“. Die Unterstützung sollte unbürokratisch erfolgen, in Form einer Einmalzahlung.

Ronald Mormann, Senatspräsident der Köthener Karnevalsgesellschaft KUKAKÖ, sagt: „Als Mitte September im Rheinland die Züge abgesagt wurden und Verweil- sowie Alkoholverbote ausgesprochen wurden, war mir schon klar, wo die Session hingeht. Wir haben uns bei einer Sondersitzung von Elferrat und Sponsoren schweren Herzens darauf geeinigt, alle Saalveranstaltungen und den Rosenmontagszug, an dem normalerweise 3000 Mitwirkende teilnehmen, abzusagen.“

Dabei sei alles, selbst unter schwierigsten Bedingungen, alles für den Karnevalshöhepunkt vorbereitet gewesen. „Nach dem Lockdown im Frühjahr haben wir im Park trainiert, später sind wir auf den Parkplatz unseres großen Vereinsgrundstücks ausgewichen und haben Gruppen von den Gruppen gebildet. Als dann die Kontaktsperre aufgehoben war, konnten unsere Cheerleader wieder ihre Pyramiden bauen. Und als letztes haben dann unsere Gesangsformationen begonnen zu üben.“

Mit „doppelter Kraft“ habe man die Fehlzeiten kompensiert „und alle waren optimistisch, die Vorfreude auf den 6-mal-11.-Geburtstag am 30. Oktober war groß“, sagt Mormann, der 1992 den am 11. wiedergegründeten und 1958 von der DDR verbotenen Verein wiedergegründet hat. „Aber den 66. wollen wir unbedingt im 2021 nachholen.“

Landespräsident Vater hofft auf eine narrenfreundlichere Session 2021/2022. „Ein schlechtes Jahr können die Vereine überstehen, aber kein weiteres. Ich hoffe besonders, dass unser Nachwuchs, die Kinder und Jugendlichen an Bord bleiben.“