Lotto Sachsen-Anhalt feiert in diesem Jahr 20-jähriges Bestehen / Für 78 Spieler erfüllte sich der Traum vom Millionengewinn Das Glück lag in der Tonne
Lotto Sachsen-Anhalt feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen. In diesen 20 Jahren haben die Sachsen-Anhalter rund 1,3 Milliarden Euro gewonnen – aufgeteilt in 106 Millionen Einzelgewinne. Für 78 Spieler erfüllte sich dabei der Traum vom Millionengewinn. Lotto-Glücksbote Egbert Klein erlebte dabei die verrücktesten Geschichten.
Magdeburg. "Sie haben eine Million DM gewonnen", erfuhr ein Spieler in der Nähe von Haldensleben am Telefon. Dass es sich damals, 1996, tatsächlich um einen Mitarbeiter von Lotto Sachsen-Anhalt handelt, der dem Glückspilz die frohe Botschaft übermitteln wollte, konnte er nicht glauben. "Ihr spinnt wohl!", entgegnete der Mann, der den Anruf für einen üblen Scherz hielt. Noch dazu am 1. April. Der Mann hatte zwar Lotto gespielt, aber keine der Zahlen war ein Treffer. Die Million hat er in der Sonderauslosung gewonnen. Damals standen noch Namen und Anschrift auf dem Lottoschein, so dass die Lottogesellschaft den Spieler informieren konnte. "An die leckere Schlachteplatte erinnere ich mich noch heute", sagt Egbert Klein.
Solche Geschichten rund um den großen Lottogewinn kann der 52-jährige Egbert Klein zu hauf erzählen. Klein ist Glücksbote – einer der wenigen, die es insgesamt im deutschen Lottoblock gibt. Die meisten der 78 Millionengewinner hat er gemeinsam mit dem zuständigen Bezirksleiter persönlich besucht. Und dabei haben ihm die frischgebackenen Lottogewinner Dinge zwischen Tipp und Gewinnmitteilung erzählt, die einfach im Gedächtnis haften bleiben.
So wären einer Spielergemeinschaft aus dem Landkreis Börde im November 2008 über 575000 Euro durch die Lappen gegangen. Die schriftliche Gewinnbenachrichtigung hat der Spielleiter kurzerhand in die blaue Tonne befördert, weil sie ihm "nicht amtlich genug" erschien. Beim Bier hat er seinen drei Kumpels von dem Brief erzählt. "Stellt Euch vor, wir haben einen Sechser - hahaha!" Doch einem seiner Freunde blieb das Lachen im Halse stecken, denn er hatte in der Zeitung von einem Sechser im Bördekreis gelesen. Die Tonne wurde durchsucht. Der Dauerspielschein brachte dem Quartett schließlich 575736,50 Euro ein, für jeden Spieler rund 144000 Euro. Die vier Freunde hatten mit einem Dauerauftrag Lotto gespielt - seit Jahren schon. Und deshalb konnten die Gewinner auch ermittelt werden. Einem anonymen Spieler – Name und Anschrift werden schon lange nicht mehr auf den Spielquittungen vermerkt – wäre der Gewinn wahrscheinlich verloren gegangen.
Der studierte Verkehrsingenieur, der einst auf dem Magdeburger Hauptbahnhof als Schichtleiter arbeitete und später zu den "VEB Vereinigten Wettspielbetrieben" (VEB: Volkseigener Betrieb) wechselte, weiß, wie Gewinner sich fühlen. Ein junger Mann aus dem Landkreis Wittenberg brach 1993 an seiner Werkbank zusammen, als er von seinem 3,5-Millionen-DM-Gewinn erfuhr. Ein Dauertipper aus dem Jerichower Land, der jahrelang mit immer den gleichen Zahlen gespielt und nie gewonnen hatte, war schließlich so frustriert, dass er den Schein in den Ofen beförderte. In letzter Sekunde hatte er ihn aber wieder herausgeholt.Sein Glück, denn in der nächsten Woche landete er mit diesem schon angekokelten Schein einen Sechser im Jahr 1991.
Eine ältere Dame aus Staßfurt wollte eigentlich im Lottoladen nur ein paar Briefmarken kaufen, setzte 3,50 Euro ein und gewann mit ihrem Spontantipp 975617,00 Euro im Jahr 2007.
Der Spitzengewinn in Sachsen-Anhalt fiel übrigens mit 7,2 Millionen Euro (14,1 Millionen DM) 1999 an eine Drei-Generationen-Familie in der Altmark.
Wenn Egbert Klein die Glückspilze besucht, bringt er nicht nur eine Flasche Sekt mit, sondern die heiß ersehnte Gewinnbenachrichtigung. Auf Wunsch kommt das Geld auch per Verrechnungsscheck - in der Regel wird es aufs Konto überwiesen. Wenn dann die größere Summe gebucht ist, sind die Finanzberater nicht weit. Klein rät, sich nicht vorschnell in etwas drängen zu lassen. Die meisten Gewinner erfüllen sich jedoch ganz "normale" Wünsche wie etwa ein Auto oder ein Haus.
Was aus den Gewinnern in all den Jahren geworden ist, weiß der Marketingmann von Lotto nicht. Solche Geschichten wie beispielsweise die von Lotto-Lothar aus Hannover, kennt Klein für Sachsen-Anhalt nicht. Lothar Kuzydlowski, verfiel nach seinem 3,9-Millionen-DM-Gewinn 1994 dem Alkohol und starb vier Jahre später mit 53 Jahren. "Die Leute hier sind bodenständig und wollen sich das Leben verschönern", so seine Erfahrung. Dabei, gibt er zu, würde er gern schon mal wissen, was die Leute mit dem vielen Geld gemacht haben.
Oberstes Prinzip des Glücksboten ist übrigens Diskretion. Wenn er bei den Lottomillionären zu Hause aufkreuzt, dann eben nicht mit großer Werbung am Wagen. Es kommt sogar vor, dass das Auto diskret am Dorfrand stehen bleibt. Wie im Fall einer 27-jährigen Mutter aus dem Bördekreis, die 2002 eine lebenslange Sofortrente bei der Glücksspirale gewonnen hatte. Klein und der zuständige Bezirksleiter wurden mit einem "Pst! Wir sind es" ins Haus gelotst. Oder wie in einem anderen Fall, 1993, wurde Klein gegenüber der Nachbarschaft als "Das ist mein Dachdecker" vorgestellt. So ganz falsch lag die glückliche Gewinnerin damit nicht - denn das Dach war arg reparaturbedürftig gewesen.
Fortuna verteilt ihr Glück gleichmäßig
Empfindet der Lotto-Engel nicht auch ein wenig Neid, wenn er den glücklichen Gewinnern gegenübertritt? Klein, der selbst gelegentlich Lotto spielt (Höchstgewinn 124,50 DM), meint dazu: "Eigentlich nicht. Den Gewinnern persönlich zu gratulieren, ist die angenehme Seite meines Berufes."
Zwischen 30 und 40 Gewinne ab 100000 Euro pro Jahr werden in Sachsen-Anhalt erzielt. Der vielfachen Annahme, vor allem in Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg würde oftmals der Jackpot geknackt, trat Lotto-Sprecherin Ute Semkat entgegen: "Das stimmt nicht. Wenn man die Zahl der Millionengewinne ins Verhältnis zur wesentlich geringeren Einwohnerzahl in Sachsen-Anhalt und den gespielten Tipps setzt, verteilt Fortuna ihr Glück ziemlich gleichmäßig in Deutschland."
Für die tausenden Tipper, die mit durchschnittlich 1,29 Euro pro Woche oder 158 Millionen Euro (im vergangenen Jahr) gegen die Lottogesellschaft des Landes wetten, nicht gerade sehr tröstlich. Immerhin liegt die Wahrscheinlichkeit, den Jackpot zu knacken, bei 1 zu rund 140 Millionen. Die Chance, vom Blitz tödlich getroffen zu werden, dagegen ist - rein statistisch - viel günstiger: 1:20 Millionen. Dennoch können viele dem Reiz des Geldes nicht widerstehen. Und es klappt: Laut Lottosprecherin tippen deutschlandweit rund 350 Spieler im Jahr sechs Richtige, vom Blitz getroffen werden dagegen nur vier.