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Diabetes Sensor-Sohlen helfen Diabetikern

Forscher aus Magdeburg haben eine „kluge“ Fußsohle entwickelt. Diese sollen Druckgeschwüre von Diabetes-Patienten registrieren.

Von Alexander Walter 23.05.2018, 01:01

Magdeburg l Der Zucker wirkt wie ein süßes Gift. Über Jahre schädigt er bei Diabetes-Patienten die Nervenbahnen, die fürs Fühlen zuständig sind. Zuckerkranke können so zwar meist beschwerdefrei laufen. Oft spüren sie aber weder Hitze noch Verletzungen oder den Druck der Schuhe an den Füßen. Viele bemerken den schleichenden Sensibilitätsverlust nicht einmal.

Als der Arzt Peter Mertens vor Jahren die Uni-Klinik für Diabetologie übernahm, sah er täglich die Folgen: „Die Betten waren voll mit Patienten mit Druckgeschwüren“, erzählt er. Nicht selten müssen Ärzte in solchen Fällen amputieren. Bundesweit zuletzt 30.000 Mal im Jahr.

„Ich habe damals nächtelang wachgelegen und überlegt, was man tun kann“, sagt Mertens. Das Problem: Die herkömmliche Methode regelmäßiger Kontrollen bringt kaum Erfolge. Denn: Zwischen einzelnen Untersuchungen liegen meist mehrere Monate, so dass anfänglich kleine Verletzungen sich unbemerkt zu Schlimmerem ausweiten können. Fünf Jahre haben Wissenschaftler der Magdeburger Uniklinik und der Firma Thorsis Technologies an einer Lösung geforscht. Jetzt haben sie sie gefunden: Es handelt sich um intelligente Schuhsohlen, die wie eine Alarmanlage funktionieren. In jede der nur millimeterdicken, weichen Sohlen sind dazu acht Sensoren eingebaut. Diese messen in Echtzeit Druck und Temperatur. Wie sinnvoll das ist, zeigt ein Blick auf Körperreaktionen im Vorfeld von Entzündungsprozessen: So ändert sich die Fußtemperatur an betroffenen Stellen bis zu fünf Wochen, bevor eine Schädigung nachweisbar wird. „Allein durch die Temperatursensoren lässt sich die Zahl an Druckgeschwüren um 60 Prozent senken“, sagt Mediziner Mertens.

In einer über zwei Jahre angelegten und mit EU-Mitteln unterstützten Vergleichsstudie will die Uni die Wirksamkeit nun belegen. Dazu sucht sie 300 Teilnehmer – 150 sollen in Hausschuhen die smarten Schuhsohlen tragen, 150 herkömmliche Produkte. Wer das Glück hat, eine kluge Sohle zu erhalten, soll von Beginn an profitieren. So melden die Sohlen Ergebnisse direkt aufs Handy des Trägers: Der bekommt so täglich eine Einschätzung, ob alles in Ordnung ist oder nicht. Gleichzeitig gehen die Werte über einen Server ans Uniklinikum, wo die Wissenschaftler sie auswerten und mit dem Krankheitsverlauf abgleichen.

Bewährt sich die smarte Sohle – und davon ist das Forscherteam überzeugt – könnte sie zum Standard der Prävention werden. „Jährlich werden Millionen für Amputationen ausgegeben, schon deshalb dürften die Kassen die günstigeren Sohlen zahlen“, glaubt Mediziner Mertens. Langfristig könnte das Produkt noch wesentlich mehr leisten: Über Sohlen mit Sensoren lassen sich auch andere Erkrankungen wie Minderdurchblutung oder das Charcot-Fußsyndrom (dabei brechen wegen fehlenden Schmerzempfindens unbemerkt Knochen) diagnostizieren, sagt Peter Mertens.

Die smarten Sohlen aus Magdeburg – sie könnten Patienten so im übertragenen Sinn die verlorengegangene Sensibilität in den Füßen wiedergeben.