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Vor 30 Jahren zog Rote Armee ab Die Russen gingen ohne Groll

Im April 1994 verließen die letzten russischen Soldaten den Heideort Hillersleben in Sachsen-Anhalt. Es war ein heiterer Abschied, der heute mitunter verklärt wird.

Von Steffen Honig 08.04.2024, 18:00
Fröhliche Soldaten beim Abzug aus Hillersleben.
Fröhliche Soldaten beim Abzug aus Hillersleben. Foto: Imago

Hillersleben/Magdeburg. - Sie hatten sich häuslich eingerichtet – die Sowjettruppen der 47. Panzerdivision in Hillersleben am Südrand der Colbitz-Letzlinger Heide. Nach dem Zweiten Weltkrieg als Sieger gekommeGelände. Hier hatten einst der Kaiser gejagt und später die Nazis in der Heeresversuchsanstalt ihre Waffen getestet.

Nach der Wende in der DDR geriet die mehr oder weniger festgefügte Hillersleber Welt ins Wanken. Die Deutschen marschierten nicht mehr an der Seite der Sowjetunion auf den Sozialismus zu, sondern auf die Wiedervereinigung mit dem bisher verfeindeten Westdeutschland.

Wie aus dieser Zeit berichtet wird, entspannte sich das Verhältnis zwischen der Besatzungsarmee und den Bewohnern Hillerslebens und der Nachbarorte bis zum Abzug der letzten Soldaten am 6. April 1994 merklich. Dazu trug bei, dass die Deutschen in den russischen Geschäften nun zollfrei Zigaretten und Spirituosen westlicher Marken erwerben konnten.

Umgekehrt setzte ein schwungvoller Handel mit den Gütern ein, die es in der Heimat der Offiziere und Soldaten nicht oder nur schlecht gab. Die Palette reichte von Autos bis zu Werkzeug. Die Waren gingen beim 1990 beginnenden Abzug der Roten Armee mit in den Osten und trugen zur Legendenbildung über die DDR in den Republiken der Ex-Sowjetunion bei.

Denn dort galt die DDR, das Schaufenster des sozialistischen Lagers zum Westen, als ein paradiesischer Fleck auf Erden. Während die Einheimischen ihre Lebensverhältnisse pausenlos mit den erstrebenswerten der Westdeutschen verglichen, legten Kasachen und Russen ganz andere Maßstäbe an.

DDR-Serie im russischen Fersehen

Vor allem für die Offiziere mit ihren Familien waren die ostdeutschen Verhältnisse verglichen mit jenen in der Heimat sensationell. Die Russen fanden es in der DDR zumeist sauber, ordentlich und sicher und waren mit der Versorgung von Lebensmitteln bis zu Konsumgütern sehr angetan.

Die Verklärung der DDR im postsowjetischen Raum ist in den vergangenen Jahrzehnten nicht abgeebbt. Gerade läuft in Russland eine Fernsehserie über den früher wichtigsten Verbündeten im Ostblock. Sie ist mit „GDR“, der Abkürzung des Landesnamens auf Russisch, betitelt.

Die „Moskauer Deutsche Zeitung“ ist ein traditionelles Informationsblatt für Russen und Deutsche in der russischen Hauptstadt. Das Blatt berichtet über eine in der Wendezeit angelegte, vieldiskutierete DDR-Serie aus der Geheimdienstszene. Seit Mitte Februar dieses Jahres wurde sie demnach im in einem Streamingdienst gezeigt, bevor der TV-Sender NTW sie in sein Programm übernahm.

Gedreht wurde allerdings nicht in Deutschland, sondern in Finnland, Weißrussland und Kaliningrad. Das war als Königsberg bis zum Weltkriegsende zumindest mal eine namhafte deutsche Metropole in Ostpreußen.

Um Kleinigkeiten haben sich die Macher wohl weniger gekümmert. Was auf Plakaten steht oder deutsch geredet wird, ist nicht immer exakt. Das spielt keine Rolle. Die Hauptsache ist, dass die um die DDR zur Zeit des großen Umbruchs kreisende Story ausreichend Zuschauer vor die Apparate lockt. Mit der Erinnerung an das verschwundene Land lässt sich noch immer gut Geld machen.

Ernüchternde Wirklichkeit

Sicher ist unter den Zuschauern der eine oder andere frühere Soldat, der noch in der DDR gedient hat. Vielleicht sogar in der Letzlinger Heide nördlich von Magdeburg. Es gibt in Russland militärische Freundeskreise nicht nur von ehemaligen Afghanistan-Kämpfern, sondern auch von von früheren DDR-Veteranen. Dass die Zeiten in Hillersleben, Magdeburg oder Stendal alles andere als rosig waren, fällt heute aber unter den Tisch.

So schotteten sich die Russen Schritt für Schritt vollkommen ab, was die Kontakte zu den Deutschen bis 1989 auf ein Mindestmaß begrenzte. In Hillersleben wurde erst ein Zaun gebaut, später folgte eine Mauer. Die Heide war für die Bevölkerung als Erholungsraum komplett verloren.

Besonders bitter: Während der sowjetischen Besatzungszeit wurde n durch Brände und Abholzung 14.000 ha Waldflächen vernichtet. Das entspricht der Fläche von Halberstadt.