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Dürre Sachsen-Anhalt trocknet aus

Das Grundwasser sinkt in der Altmark und bei Zerbst auf Rekord-Tiefe, die Bauern erwarten massive Ernteverluste. Auch der Wald leidet.

Von Jens Schmidt 10.08.2019, 01:01

Magdeburg l Die Buche gilt als der große Hoffnungsträger beim Waldumbau. Doch ausgerechnet dieser Baum leidet jetzt. „Laubbäume werden bei Trockenheit schneller brüchig als Nadelbäume – besonders gefährdet sind die Buchenbestände“, sagt Victoria Große vom Landesforstbetrieb. Fehlt Wasser, werfen sie sogar grüne, belaubte Äste ab. Für Spaziergänger extrem gefährlich. Laubwälder gedeihen vor allem im Ostharz. Nun werden Forstarbeiter die Sägen ansetzen, um geschwächte Bäume zu fällen. Die Landesforstämter beantragen in den nächsten Tagen bei den zuständigen Landratsämtern eine Sperrung großer Areale. Betroffen sind Waldflächen und auch einige Wanderwege vor allem bei Thale, Gernrode, Harzgerode und Quedlinburg. Im Oberharz sind es Wälder bei Stiege und Rübeland.

Die Böden im Land sind knochentrocken. Der tagesaktuelle Monitor des Helmholzzentrums für Umweltforschung Leipzig zeigt für die tieferen Bodenschichten Sachsen-Anhalts eine dunkelrote Färbung. Das heißt: extreme Dürre.

Das Grundwasser ist in den tiefen Keller gesackt. Zwölf der gut 30 Mess-Stellen des Landes melden rote Zahlen: die Wasserstände liegen deutlich unter normal. Am schlimmsten erwischt haben es Fläming, Altmark und Harz. In Leps bei Zerbst sackte das Grundwasser auf 2,73 Meter Tiefe - das ist lokaler historischer Rekord. Gemessen wird dort seit 1970.

Die Bauern erwarten für Mais und Zuckerrübe Einbußen von 20 bis 40 Prozent im Vergleich zu Normaljahren. Genauso hoch war das Manko dieses Jahr bereits bei der Getreideernte. Dürrehilfen sind 2019 nicht zu erwarten. Nicht einmal die Hilfen von 2018 sind überall ausgezahlt. 20 Prozent der Betriebe im Land warten aufs Geld. „Das liegt an der überbordenden Bürokratie, die der Bund verursacht hat“, sagt Olaf Feuerborn, Präsident des Landesbauernverbands. Er leitet sei 25 Jahren einen Betrieb in Sachsen-Anhalt. „So eine lange und extreme Dürre habe ich noch nicht erlebt.“

Die ebbegeplagten Flüsse verschlimmern die Lage. Da von oben nichts kommt, saugen sie regelrecht Grundwasser aus dem Boden. Beispiel Elbe: Erst im vorigen August sackte der Wasserstand am Pegel Magdeburg-Strombrücke auf den historischen Tiefpunkt von 46 Zentimetern. Dieser Minus-Rekord hielt kein Jahr. Am 31. Juli standen 45 Zentimeter an der Anzeigetafel. Gestern waren es 48 Zentimeter. „Zwei Rekorde innerhalb so kurzer Zeit – so etwas gab es noch nicht“, sagt Helmut Rhein vom Wasserstraßen-Amt. Am 23. Juni passierte das letzte Binnenschiff den Magdeburger Domfelsen. Für die Fahrrinne gibt es schon seit einigen Tagen keine Angaben mehr, weil die Fachleute selbst mit ihrem Mess-Boot nicht mehr an die entscheidenden Stellen kommen.

Viel zu tun haben die Kampfmittel-Experten. Das Flachwasser legte bisher 21 Blindgänger frei. Im Schilf am Arendsee entzündete sich eine Nebelgranate. Bei Möckern fischte ein Spaziergänger eine Granate aus einem Teich und warf sie in einen Papierkorb - die Spezialisten entschärften sie später.

Trockene Böden, sinkende Grundwasserstände: „Das ganze System erholt sich nicht“, sagt Frank Gorecka vom Landesbetrieb für Wasserwirtschaft. Derzeit erhöht sich die Konzentration mancher Schadstoffe. Das sind vor allem Schwermetalle und Salze.

Unter dem Niedrigwasser leiden auch Fische. Der Landesanglerverband meldet erste tote Tiere. Probleme bekommen auch die Fluss-Auen. „Die Lage ist dramatisch“, sagt Ernst-Paul Dörfler vom Umweltverband BUND. „Lange Zeit wurde das Wasser als Feind angesehen, und es wurden viele Gräben und Drainagen angelegt.“ Er fordert ein Umdenken.

Und wie wird das Wetter?. „Ein paar Schauer können nächste Woche kommen, aber ergiebiger Landregen ist nicht in Sicht“, sagt Peter Zedler vom Deutschen Wetterdienst.