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Einkauf Kaffee und Luftmatratze

Unser Gastautor aus London berichtet über sein neues Leben in Sachsen-Anhalt. Ihn faszinieren deutsche Cafés und Drogerien.

Von Paul Kilbey 16.09.2017, 13:59

Magdeburg l Wer in Großbritannien Lust auf einen Kaffee hat, geht in einen Coffeeshop. Denn die findet man bei uns zuhauf. Jede britische Stadt ist übersät von überteuerten, unpersönlichen Cafés der immergleichen Ketten. Dort sitzt man dann ein oder zwei Stunden und grübelt, wie in aller Welt der horrende Preis für das Getränk, das man gerade zu sich nimmt, zustande gekommen ist.

In Deutschland habe ich festgestellt, dass der Coffeeshop nicht unbedingt ein Ort ist, an dem man sich eine schnelle Koffein-Dosis holt. Hier wird zwar Kaffee verkauft, aber die Chancen stehen gut, dass es auch Pyjamas, Schneidebrettchen, Reise-Adapter und Fahrradpumpen gibt - zumindest diese Woche. Nächste Woche sind dann vermutlich Kleiderbügel, Katzenklos und Kissen im Angebot.

Doch das deutsche Einkaufserlebnis fängt damit erst an. Nachdem der Kunde seine Einkaufstasche mit frisch gemahlenem Kaffee und einem neuen Sportoutfit gefüllt hat, geht es weiter in den Drogeriemarkt. Um Shampoo und Rasierschaum zu kaufen - könnte ein naiver Brite jetzt denken. Stimmt zwar auch, aber Deutsche kaufen dort außerdem Futter für ihre Haustiere, Tee, Fleischersatzprodukte auf Sojabasis und Chiasamen. „Typische“ Drogerieprodukte eben ...

In Großbritannien bin ich diesem kuriosen Mix an Produkten innerhalb eines Ladens bisher nur selten begegnet. Tatsächlich kenne ich das Angebot-Potpourri nur von den zwei großen deutschen Discountern, die es bis auf die Insel geschafft haben. Diese Geschäfte unterscheiden sich von britischen Supermärkten vor allem durch die charakteristischen Wühltische, die sich mitten im Laden befinden. Hier gibt es eine verblüffende und irgendwie auch belustigende Mischung aus Sonnenschirmen, Gemüse-Schälern und Weckern zu kaufen - ausgewiesen mit deutscher Präzision als „Non-Food“.

Diese landestypische Art, einzukaufen, lässt mich noch immer verwirrt zurück. Denn wenn ich mich dabei ertappe, mit einem Kniffelspiel zur Kasse zu gehen, obwohl ich eigentlich nur schnell ein Brot holen wollte, finde ich das schon fragwürdig.

Eigentlich sind es doch die Deutschen, die für ihr Organisationstalent bekannt sind. Genauso hatte ich mir auch die Supermärkte hier vorgestellt. Ordentlich, mit einem ausgewählten Sortiment.

Aber zumindest habe ich in Deutschland den Eindruck, dass die Läden ehrlicher sind - die Produkte, die hier auf dem Grabbeltisch angeboten werden, sind eindeutig nicht lebensnotwendig. Es wird keinerlei Druck auf den Kunden ausgeübt, sie kaufen zu müssen. Britische Supermarktketten hingegen sind aufdringlicher - der Einfluss ihrer Marketingabteilungen ist überall im Laden zu spüren.

Der britische Kunde ist daran gewöhnt, ständig und überall von Rabattangeboten überhäuft zu werden. Diese sollen den Käufer animieren, mehr zu kaufen, als er eigentlich braucht. Zum Beispiel: Drei Ananas für den Preis von zwei oder ein Fünf-Pfund-Gutschein bei einem Einkauf im Wert von 100 Pfund. Hier gibt es keinen Platz für willkürlich im Laden platzierte Computer-Bildschirme, Rasenmäher oder andere Sachen, die den Kunden unnötig ablenken könnten.

Ich persönlich springe eher auf die deutsche Marketingmasche an, die mich immer wieder mit neuen Angeboten überrascht, als auf die aufdringlichen Verkaufstricks meiner Heimatsupermärkte. Vielleicht möchte ich spontan eine Glühbirne und eine Luftmatratze mitnehmen, vielleicht auch nicht. Das möchte ich aber lieber selber entscheiden. Bei meinem jüngsten Besuch einer bekannten deutschen Kaffeekette habe ich, während ich auf meinen Kaffee wartete, ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, noch ein Holzhaus für die Kaninchen mitzunehmen. Um ein Haar hätte ich es gemacht. Vielleicht beim nächsten Mal.

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