1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Ein leuchtend bunter Bauwagen

Familienprojekt Ein leuchtend bunter Bauwagen

Das Bauwagenprojekt in Wernigerode ist eine hilfreiche Anlaufstelle für Familien - "Volksstimme-Leser helfen" unterstützt das Projekt.

Von Katrin Schröder 21.12.2016, 21:27

Wernigerode l Wenn die Maisonne über dem Wernigeröder Stadtfeld scheint, dann verlässt der Bauwagen sein Winterquartier. Der bunt bemalte Unterschlupf steht seit dem Jahr 2000 in der Sommersaison auf einer Wiese in dem Plattenbauviertel und ist eine soziale Institution in Wernigerode. Er bietet Kindern und Jugendlichen im Alter von sechs bis zwölf Jahren eine Anlaufstelle – ebenso ihren Eltern und anderen Familienangehörigen. „Im und rund um den Bauwagen kann man miteinander spielen, Sport treiben, sich austauschen und von seinen Sorgen erzählen, aber auch gemeinsam feiern“, erklärt Heide Liebold, Pfarrerin der Johannisgemeinde.

Als das Projekt ins Leben gerufen wurde, ging es den Initiatoren darum, in einem sozial schwierigen Umfeld Integration zu fördern und Familien zu unterstützen. „Am Bauwagen können Kinder und Eltern Neues kennenlernen und sich in angenehmer Atmosphäre ausprobieren“, so Heide Liebold. Das Team ist an zwei bis drei Nachmittagen pro Woche für die Besucher da. 20 bis 30 Kinder tummeln sich regelmäßig rund um das Gefährt, das sie selbst vor zwei Jahren in leuchtend bunten Farben bemalt haben.

Mit der Zeit haben sich Rituale herausgebildet, die verbinden – wie das gemeinsame Lied oder Musikstück zum Beginn. Anschließend werden thematische Angebote unterbreitet, Kinder und Erwachsene können frei spielen und die Erzählecke nutzen. Die Helfer bemühen sich um Abwechslung. „In diesem Jahr war gesunde Ernährung ein großes Thema“, berichtet Heide Liebold. Dazu ging die Gruppe zum Beispiel gemeinsam einkaufen. Bei der anschließenden Blindverkostung stellte sich dann die Frage: Was schmeckt besser, konventionell oder ökologisch hergestellte Marmelade?

In der Urlaubszeit haben Kinder und Erwachsene Erinnerungsgläser befüllt – mit Mitbringseln aus dem Urlaub oder Andenken an Unternehmungen zu Hause. Zum Abschluss wird stets gemeinsam aufgeräumt, was dem Erscheinungsbild des Umfeldes insgesamt gut tut, denn oft genug wird nicht nur der eigene, sondern auch fremder Müll mit entsorgt.

Die Regelmäßigkeit unterstützt das Anliegen des Projekts. „Die Rituale geben Sicherheit und helfen, sich am Bauwagen wohlzufühlen“, so Heide Liebold. So fällt es leichter, zu reden und auch einmal einen Streit auszutragen – dies aber fair und ohne Einsatz von Gewalt. Damit, so hoffen die Mitarbeiter des Bauwagen-Teams, werden Verhaltensweisen eingeübt, die auch andernorts im Alltag Anwendung finden. Ein weiterer Punkt ist der offene Umgang mit neu hinzukommenden Kindern, auch mit Migrationshintergrund, und deren Integration.

Bei Sorgen und Problemen in der Familie sind die Mitarbeiter ebenfalls zur Stelle. „Kinder stehen bei uns im Mittelpunkt und spüren: Hier bin ich gewollt und wichtig“, so Heide Liebold. Ihr ist der lange Atem wichtig, die Verlässlichkeit über Jahre hinweg. „Mit Geduld wächst Vertrauen.“

Sie beobachtet, dass der Bauwagen über die Jahre eine Größe im Leben des Wohngebiets geworden ist. Nicht nur die Kinder, auch die Eltern nutzen den Bauwagen als Treffpunkt. „Man nimmt dort Kontakt zu Nachbarn auf, die vielleicht Tür an Tür wohnen, die man aber sonst nicht angesprochen hätte“, so Heide Liebold.

Seit drei Jahren wird das Angebot des Bauwagens durch Ferienfreizeiten ergänzt, die in den beiden vergangenen Jahren nach Dänemark führten. Damit der Kontakt über den Winter nicht abreißt, gibt es seit Herbst 2015 einen wöchentlichen Treff im Pfarrhaus, der ebenfalls rege genutzt wird.

Der Bauwagen wird laufend verschönert und ausgestattet, zum Beispiel im vergangenen Jahr mit einer neuen Sonnenschutzmarkise. Spiele und Materialien werden ebenfalls regelmäßig erneuert. Zwei pädagogische Mitarbeiter betreuen das Projekt gemeinsam mit ehrenamtlichen Helfern. Diese arbeiten mit der Stadtjugendpflege sowie freien Trägern und Ehrenamtlern zusammen – zum Beispiel mit dem Internationalen Bund, dem International Women Club, der Kinderklinik, dem Kloster Drübeck, der Hirsch-Apotheke und vielen mehr.

Das Bauwagenprojekt ist ein freiwilliges Angebot, das in keinem Budgetplan auftaucht. Die Johannisgemeinde investiert Geld aus ihren Rücklagen, ist aber zugleich auf Spenden angewiesen. „Wir verausgaben uns schon recht stark“, sagt Heide Liebold. „Deshalb freuen wir uns über die Unterstützung der Volksstimme-Leser.“

Hier lesen Sie mehr zur Volksstimme-Aktion "Leser helfen".