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FDP-Parteitag Eine Rolle rückwärts

Sachsen-Anhalts FDP wollte einen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2021 präsentieren. Warum alles anders kam.

Von Michael Bock 06.07.2020, 01:01

Stendal l Eigentlich steht sie seit Wochen fest, die Choreographie für den Parteitag. Die geht so: Landeschef Frank Sitta schlägt in seiner Rede die Magdeburgerin Lydia Hüskens als Spitzenkandidatin für die Landtagswahl vor. Diese wird die Delegierten direkt danach mit einer Tschakka-Rede auf Betriebstemperatur bringen. Die Parteistrategen hoffen auf neuen Schwung. Ein Aufbruchsgefühl. Eine Mit-uns-müsst-ihr-rechnen-Stimmung.

Sitta tritt an als liberale Nummer eins für den Bundestag, Hüskens für den Landtag. So ist es seit März zwischen beiden verabredet. Aber dann tanzt plötzlich einer aus der Reihe. Freitag, am Abend vor dem Parteitag, trifft sich der Landesvorstand. Letzte Details sollen geklärt werden. Nichts Besonderes. Doch dann das: Frank Sitta, seit 2017 im Bundestag, wirft alle Planungen über den Haufen. Er teilt den verdutzten Landesvorständlern mit, er wolle für beide Wahlen im nächsten Jahr – Landtag und Bundestag – als Spitzenkandidat antreten. So schildern es Teilnehmer übereinstimmend hinter vorgehaltener Hand.

Hüskens, Landes-Vize und hörbare FDP-Stimme im Land, wird überrumpelt von der Rolle rückwärts des Parteivorsitzenden. Sitta informiert die Magdeburgerin ganz kurzfristig über seinen Sinneswandel. Im Landesvorstand entbrennt eine hitzige Debatte. Zwei Stunden reden sich die Liberalen die Köpfe heiß. Sittas Alleingang sei „eine Katastrophe“, ärgern sich Landesvorständler. Der Parteichef steht allein da. „Es gab nicht einen Fürsprecher“, sagt ein Vorständler.

Sitta meint: „Es gab schon harmonischere Vorstandssitzungen.“ Der gebürtige Sangerhäuser, seit 2015 Parteichef, wird hart rangenommen. Er leiste gute Arbeit im Bundestag, ja, sei aber ein grottenschlechter Landeschef, heißt es im Parteivorstand. Sitta ist Fraktionsvize im Bundestag, er sitzt im Präsidium der Partei. Seit langem wird dem 42-Jährigen vorgeworfen, sich kaum in den Kreisverbänden blicken zu lassen. Sitta räumt ein: „Ich höre hier und da eine gewisse Unzufriedenheit.“ Er sei aber kein Freund von „Allgegenwärtigkeits-Wünschen“.

Es rumst mächtig in der Vorstandssitzung. Sitta droht damit, den Landesvorsitz hinzuschmeißen. Andere fordern eine Neuwahl des Landesvorstands – sofort. Man findet nicht zueinander. Letztlich wird festgelegt: Der Vorstand trifft sich in 14 Tagen erneut.

Landesvorständler Andreas Silbersack fordert eine zügige Lösung der Personalfragen. „Es ist fünf vor zwölf für unsere Partei“, sagt er. Es müsse schnell klar sein, wie sich die FDP aufstelle. Die Landtagswahl im Juni 2021 entscheide über die Zukunft des Landes und auch der FDP. Derb formuliert der Rechtsanwalt: „Wenn wir uns nicht den Arsch aufreißen bis zur Halskrause, dann wird das nichts.“

Wie aber ist die 180-Grad-Wende Sittas zu erklären?

Zu hören ist, dass auch der Bundestagsabgeordnete Marcus Faber die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl anstrebt. Das hat der 36-Jährige parteiintern angekündigt. Faber wäre für Sitta ein starker Konkurrent. Der Stendaler ist sehr umtriebig, er klappert Kreisverbände ab, sichert sich Pluspunkte an der Basis. Das ist Sitta nicht entgangen, Nicht wenige in der FDP meinen, dass Faber bei einer Kampfkandidatur die Nase vorn hätte. Darum, so wird erzählt, setzt Sitta nun auch auf die Spitzenkandidatur für den Landtag. Als eine Art Sicherheitsnetz.

Sollte der Landeschef auch in 14 Tagen bei der Doppelkandidatur bleiben, kann er sich bei einem Landesparteitag im September auf Kampfkandidaturen einstellen. Hüskens wie auch Faber würden gegen ihn antreten.

Sittas Rede beim Parteitag wird mit nur sehr spärlichem Applaus bedacht. Bundes-Generalsekretärin Linda Teuteberg hält eine Standardrede. Und bekommt viel Beifall.