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Junge Gröninger Familie streitet mit Gemeinde um Kita-Betreuungszeit Felix darf nicht zehn Minuten länger bleiben

Mit dem neuen Kinderförderungsgesetz soll eigentlich alles besser
werden. Eltern können nun nach ihrem Bedarf mit den Einrichtungen
individuelle Regelungen vereinbaren. Das ermöglichen die neuen
Betreuungsverträge. Doch noch nicht überall im Land funktioniert das
neue System.

29.10.2013, 01:15

Gröningen/Magdeburg l Felix geht gern in die Kita. Zwar muss der Vierjährige jeden Morgen sehr früh aufstehen. Doch das müssen viele seiner Freunde auch. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Jeden Morgen um 6 Uhr treffen sie sich in der Einrichtung. "Am liebsten spielen wir mit Schwertern und Stöcken", sagt der Vierjährige und grinst dabei.

Mutter Ramona Hartmann freut sich, dass ihr Sohn in der Kita Bodespatzen in Gröningen (Bördekreis) so viel Spaß hat. Doch ein Grinsen wie Felix hat sie nicht im Gesicht, wenn sie an die vorgeschriebenen Betreuungszeiten denkt. Da liegt sie mit der Gemeinde und der Einrichtung seit Wochen über Kreuz.

Ramona Hartmann arbeitet wie ihr Mann 40 Stunden pro Woche. Aufgrund einer Ungleichverteilung der Stunden auf verschiedene Tage und eines langen Arbeitsweges nach Halberstadt muss sie für Felix von Montag bis Donnerstag mehr als 10 Stunden Betreuung in Anspruch nehmen. "Meistens sind es zehn bis 15 Minuten mehr pro Tag", sagt sie. "Am Freitag hole ich das wieder raus. Da bin ich nach achteinhalb Stunden in der Kindertagesstätte."

"Muss ich meine Arbeit aufgeben, weil ich die Betreuungszeit um ein paar Minuten überschreite?" - Ramona Hartmann, Mutter

Eine Rechnung, die für Ramona Hartmann aufgeht: Montag bis Donnerstag von 6 bis 16.15 Uhr, Freitag von 6 bis 14.30 Uhr. Damit ist Felix knapp 50 Stunden pro Woche in der Kita - so wie es in ihrem Betreuungsvertrag steht. Vor der Einführung des neuen Kinderförderungsgesetzes (Kifög) zum 1. August habe es keine Probleme gegeben. "Doch jetzt will das die Gemeinde plötzlich nicht mehr erlauben", sagt die zweifache Mutter.

Die Öffnungszeiten der Einrichtung sind nicht das Problem, die Kita schließt um 17 Uhr. Laut Nicole Schliebener, Hauptamtsleiterin der Gemeinde Westliche Börde, liegt die Ursache in einer neuen Formulierung im Kifög: "In Paragraf 3 hat es eine wesentliche Änderung gegeben." Jetzt steht dort: Ein ganztägiger Platz umfasst (...) ein Betreuungsangebot bis zu zehn Stunden je Betreuungstag oder bis zu 50 Wochenstunden. Die Kommentierung des alten Gesetzes habe einen Anspruch von "mindestens zehn Stunden garantiert", sagt Nicole Schliebener.

Sie rückt das Kindeswohl in den Mittelpunkt. "Das darf durch eine zu lange Betreuung nicht gefährdet werden." Eine zehnstündige Zeit in der Kita sei teilweise vergleichbar mit zehnstündiger Arbeit eines Erwachsenen. Die Folge: "In der Satzung der Gemeinde haben wir festgelegt, dass zehn Stunden Betreuung pro Tag die Obergrenze sind", sagt Schliebener.

Ramona Hartmann kann das mit ihrem Mann nicht leisten. Auch andere Paare in ihrem Freundeskreis haben dasselbe Problem. "Muss ich jetzt etwa meine Arbeit aufgeben, weil ich meine Betreuungszeit jeden Tag um ein paar Minuten überschreite? Ist das neue Gesetz dafür da?", kritisiert sie.

Holger Paech, Sprecher des Sozialministeriums, sagt: "An 15 Minuten darf eine Kita-Betreuung nicht scheitern." Der Rechtsanspruch gelte klar für bis zu 10 Stunden pro Tag oder 50 Stunden pro Woche. "Das heißt, das Gesetz schließt eine Betreuung von mehr als 10 Stunden pro Tag nicht aus."

Paech sieht Landkreis, Gemeinde und Einrichtung gefordert, eine individuelle Lösung zu finden. "Die Satzung der Gemeinde ist familienunfreundlich. Da wird die Gesetzesänderung benutzt, um den Anspruch einzuschränken. Das ist aberwitzig", sagt Paech.

Es sei keinesfalls Intention des Gesetzgebers gewesen, mit der Änderung Berufstätige zu bestrafen. "So wie es mit dem alten Kifög möglich war, bedarfsorientiert eine Lösung zu finden, ist es das mit dem neuen Kifög auch", sagt Paech. Darüber seien die Kommunen im Land informiert. "Sollte sich der Fall nicht klären, werden wir vom Land aus eingreifen."

"Da wird das neue Gesetz genutzt, um den Anspruch einzuschränken. Das ist aberwitzig." - Holger Paech, Sozialministerium

Ob es dazu kommt, ist noch nicht abzusehen. Die Gemeinde Westliche Börde hat sich mit der Bitte um Klärung an den Landkreis gewandt. Dessen Sprecher aber sagt: "Die Benutzung der Kindertageseinrichtungen regeln die Gemeinden." Die Kommunen hätten jederzeit die Möglichkeit, die Satzung zu ändern. "Grundsätzlich aber ist bei einer elfstündigen Betreuung nicht davon auszugehen, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliegt."

Wie es weitergeht? Das Sozialministerium rät betroffenen Eltern, ein sachliches Gespräch mit Einrichtung und Gemeinde zu führen. Das will Ramona Hartmann noch einmal versuchen. Führt das nicht zum Ziel, will das Ministerium das Landesjugendamt als Vermittler einschalten. Paech betont: "Es gibt viele Gemeinden im Land, die auch 11- oder 12- Stunden-Regelungen pro Tag ermöglichen. Man muss vor Ort schauen, wie das funktioniert."

Ramona Hartmann ist manchmal auch nicht glücklich darüber, dass Felix so lange in der Kita ist. Sie sagt: "Zehn Stunden sind viel, ich weiß. Aber es geht mit Job eben nicht anders. Fünfzehn Minuten mehr oder weniger machen bei der langen Zeit jedenfalls keinen Unterschied mehr."